Schauen wir im Judentum auf Konvertiten herab? Schätzen wir in unserem Glauben Konvertierungen gering? Tatsächlich habe ich im Laufe meines Lebens viele abwertende Bemerkungen ertragen müssen - ironischerweise oft durch sehr wenig religiöse Menschen. "Ein Leopard ändert seine Flecken nicht", ist eine der milderen Bemerkungen, die ich zu hören bekam. Aber unabhängig davon, was bestimmte Juden sagen, - welche offizielle Einstellung wird im Judentum zu dieser Frage eingenommen?

Die einfache Antwort ist die klassische Definition eines Juden: "Wer von einer jüdischen Mutter geboren oder gemäß der Halacha (Tora-Gesetz) zum Judentum konvertiert wurde". Demnach ist ein Konvertit, dessen Konvertierung von einer authentischen Rabbinischen Institution überwacht und durchgeführt wurde, genauso jüdisch wie eine jüdisch geborener Jude. Diejenigen, die auf Konvertiten herabschauen, sollten sich daran erinnern, dass einige unserer größten Tora-Gelehrten, wie z.B. unser legendärer Rabbiner Akiwa von Konvertiten abstammen.

Außerdem steht im Midrasch, dass Konvertiten in G-ttes Augen wertvoller sind als jüdisch geborene Juden. Denn jener, den eine jüdische Mutter geboren hat, konnte sich das nicht aussuchen. Wir sind jüdisch, wenn die Mutter jüdisch ist. Punktum. Niemand kann sein Geburtsrecht ablegen. Ob wir es wollen oder nicht, - es ist eine biologische und spirituelle Tatsache. Auch der Versuch, aus dem jüdischen Glauben auszutreten und zu konvertieren, ist erfolglos, denn das Judentum erkennt solche künstlichen Veränderungen nicht an. Ein Jude ist ein Jude ... ist ein Jude. Wenn wir als Jude auf die Welt gekommen sind, dann sterben wir auch als Jude.

Aber ein Konvertit muss nicht jüdisch werden. Keiner hat ihn dazu gezwungen. Im Gegenteil, diejenigen, die dem jüdischen Glauben beitreten möchten, wissen, dass es Antisemitismus gibt. Brauchen sie den in ihrem Leben? Sind sie Selbstmörder oder einfach doof? Warum begibt sich ein Klardenkender freiwillig in Tzores?! Im Midrasch steht, dass jemand, der dem G-tt Abrahams trotz der einzigartigen Unbeliebtheit der Kinder Abrahams bewusst folgt, G-ttes besondere Liebe verdient. Ein freiwilliger Jude ist wirklich ein Jude.

Im Talmud (Jewamot 47b) gibt es eine schwierige zu beleuchtende Stelle: "Konvertiten sind so schwierig für Israel wie eine Plage"! Keine sehr schmeichelnde Beschreibung! Einfach erklärt könnte das bedeuten, dass unaufrichtige Konvertiten, die sich nicht wirklich dazu verpflichten, ein total jüdisches Leben zu führen, weil sie vielleicht aus anderen Gründen konvertieren, wie z.B. der Heirat mit einem Juden, dann durch ihre mangelnde Tora-Treue das Judentum in Verruf bringen und einen negativen Einfluss auf andere Juden ausüben.

Eine andere Interpretation besagt, dass Konvertiten dann zu einer Plage für Israel werden, weil sie denjenigen, die als Juden geboren wurden, einen schlechten Namen machen, indem sie sehr oft eifriger in ihrer Glaubenspraxis als die geborenen Juden sind. Kennen wir nicht alle Konvertiten, die ihren Glauben leidenschaftlicher ausüben als die meisten, die als Juden geboren wurden? "Eine Plage für Israel" würde demnach bedeuten, dass uns deren stärkerer Eifer beschämt.

Diese Woche lesen wir die Tochacha (Strafpredigt): Diese Reihe von Warnungen für das jüdische Volk, nicht von G-ttes Wegen abzukommen, und uns die Flüche klarmacht, die uns befallen werden, wenn das passieren sollte, werden immer kurz vor Schawuot, der Jahreszeit des Gebens der Tora, gelesen. Als wir am Berg Sinai standen und die große Offenbarung und die Zehn Gebote erlebten, war der Moment, in dem wir verfassungsmäßig als Volk ausgewählt wurden. Schawuot ist der Tag, an dem wir von einer Familie - der Kinder von Abraham, Isaak, Jakob, Sara, Rebbeka, Rachel und Lea zu einer Nation verwandelt wurden. Das ist der Tag, an dem wir alle zum Judentum übergetreten sind. Wir sind alle am Berg Sinai Juden geworden.

Daher lesen wir jedes Jahr um diese Zeit den ernüchternden Tadel, um uns darauf vorzubereiten, dieses historische Ereignis wieder zu erleben, als wir auch "Konvertiten" geworden sind, damit wir in unseren Vertrag mit G-tt ehrlich und aufrichtig mit Ehrfurcht eintreten.

Mögen wir alle, die als Juden geboren wurden und die jüdisch geworden sind, wahre Juden sein, die ihrem Glauben, unserer Tora und unserer Tradition treu bleiben. Mögen wir die Tora erneut mit solch starker Leidenschaft und Eifer annehmen, wie jener, der gerade diese bedeutsame Entscheidung getroffen hat, ein Jude zu werden.