Hinter ihnen befand sich eine kampfbereite Armee. Vor ihnen lag ein tiefes Meer, das sie nicht durchqueren konnten. Sie konnten weder vor noch zurück. Der Feind lauerte ihnen auf. Was konnten sie tun?

Mosche versuchte eine uralte Taktik: Er flehte zu G–tt. Aber der wies ihn ab: „Warum schreist du zu mir? Sag den Kindern Israel, sie sollen weiterziehen.“

Das Wasser teilt sich

Weiterziehen – wie denn? Vor ihnen lag ein Meer! G–tt ging nie auf diese Frage ein, und Mosche stellte sie nie. G–tt wollte, dass sie weiterzogen, also taten sie es. Das war alles. Stellt keine Fragen. Zweifelt nicht. Wenn G–tt etwas befiehlt, gibt er uns die Mittel, den Befehl zu befolgen.

Dennoch zögerten die Kinder Israel. Sie waren bereit, ins Meer zu gehen, aber sie wollten geführt werden. Also ging ihnen Nachschon voraus, der Sohn von Aminadaw, des Stammesfürsten von Jehuda. Nachschon ging ins Meer und watete durch die steigende Flut. Zuerst reichte ihm das Wasser bis zur Hüfte, dann bis zur Brust und bis zur Schulter.

Im letzten Augenblick, als das Wasser seine Nase erreichte, teilte sich das Rote Meer, und die Kinder Israel folgten ihm.

Das Meer zieht sich zurück

Der Midrasch nennt viele Gründe dafür, dass unsere Ahnen die Teilung des Meeres verdient hatten. Einer unserer Weisen meint, das Wasser habe sich geteilt, weil unsere Vorfahren tief gläubig gewesen seien, fest davon überzeugt, dass G–tt ihnen helfen werde.

Alles Geschaffene verändert sich. Der Wind weht, das Wasser fließt, Pflanzen wachsen, sogar Steine verwittern. Auch der Mensch verändert sich.

Die einzige Konstante in unserer sich ständig wandelnden Welt ist G–tt. Aber wir Juden eifern der Unwandelbarkeit G–ttes nach. Unser Vertrauen, unsere unerschütterliche Gewissheit und unser totaler Glaube an G–tt machen uns in gewissem Umfang beständig wie G–tt. Anders gesagt: Wenn wir glauben, personifizieren wir das G–ttliche.

Als unsere Ahnen voller Vertrauen zu G–tt ins Meer gingen, sah das Wasser in ihnen etwas G–ttliches. Und weil das Geschaffene sich nicht seinem Schöpfer widersetzen kann, zog sich das Wasser instinktiv und spontan vor der Personifikation des G–ttlichen zurück.

Deshalb schrieb König Dawid in Psalm 114: „Das Meer sah und floh.“ Der Midrasch fragt: Was sah es, und vor wem floh es? Es sah das G–ttliche, das sich an Mosches erhobenem Arm widerspiegelte, und es floh, weil es kein Hindernis auf G–ttes Weg sein durfte.

Glaube wird Tatsache

Die Frage lautet nicht, warum das Wasser sich zurückzog, sondern, warum es wartete, bis Nachschon tapfer voranging.

Das Wasser wartete darauf, dass die Juden ihren Glauben durch die Tat ausdrückten. Es genügte nicht, dass sie glaubten. Das Meer verlangte einen äußeren Beweis für ihren Glauben.

Glaube ist eine Eigenschaft der Seele. Er lebt immer in uns. Selbst wenn wir ihn verleugnen, glaubt unsere Seele weiter. Aber G–tt ist nicht mit verborgenem, innerem Glauben zufrieden. Er fordert uns auf, die Flammen unseres schwelenden, aber stummen Glaubens anzufachen und zum Vorschein zu bringen.

Stummer Glaube schläft. Er kann die materielle Welt erst beeinflussen, wenn wir ihn physikalisch ausdrücken. Als Nachschon vorausging und den Glauben ausdrückte, den das Volk in seinem Inneren bei sich trug, teilte sich das Meer rasch.

Teilen Sie Ihr Meer

Jeder Jude kann den Gipfel der Hingabe erreichen, die Nachschon damals bewies. Wenn ein Jude beschließt, G–ttes Willen ohne Rücksicht auf Hindernisse zu erfüllen, zeigt ihm G–tt einen Weg zum Ziel. Wenn wir fest entschlossen sind, den Schabbat einzuhalten, findet G–tt einen Weg, der dies möglich macht.

Wenn wir fest entschlossen sind, jeden Morgen Tefillin anzulegen, zeigt uns G–tt, wie wir das schaffen können. Und wenn wir fest entschlossen sind, den Weg der Tora zu gehen, gibt G–tt uns die dafür notwendige Kraft. Wie das Rote Meer ziehen sich unsere Hindernisse zurück, und wir können ungehindert weitergehen.