Wie die Tora in der dieswöchigen Sidra berichtet (Exodus 12, 3 ff.), wurde den Israeliten in Ägypten befohlen, am 10. Nissan ein Lamm ins Haus zu nehmen und es dort mehrere Tage bereit zu halten, bis zum 14. Nissan; dann sollte es als Pessachopfer geschlachtet werden.

Unsere Weisen haben den Grund für dieses mehrtägige Bereithalten des Lammes so erklärt: Wenn die Ägypter sehen würden, dass die Israeliten diese Tiere in ihren Häusern hatten, würden sie fragen, welchem Zweck dies dienen sollte. Darauf würden die lsraeliten antworten, dass in einigen Tagen diese Lämmer geschlachtet und als Opfer dargebracht werden würden.

Nun war das Schaf einer der von den Ägyptern verehrten Götzen. Angesichts dessen – ungeachtet dessen – befahl G-tt den Juden, sie sollten diese Lämmer vier Tage bei sich zu Hause bereit halten, und sie sollten den Ägyptern, auf deren Fragen, wahrheitsgetreu den Zweck dieses Unternehmens mitteilen. Das war immerhin ein Akt von großer Entschlossenheit und von Selbstaufopferung, und damit erwarben sie sich das Verdienst, aus der Sklaverei tatsächlich befreit zu werden. Wie unsere Weisen ferner bemerkten, konnten die Israeliten zu jenem Zeitpunkt, als der Auszug aus Ägypten bevorstand, keine besonderen Verdienste für sich verbuchen, und sie hatten keine Mizwot getan; und in der Tat waren viele von ihnen selbst Götzenanbeter.

Deshalb gab G-tt ihnen die spezielle Mizwa des Pessachopfers, und als Belohnung dafür wie auch für ihre Bereitwilligkeit, zusätzlich die direkte Gefahr von Selbstaufopferung auf sich zu nehmen, wurden sie erlöst.

Das Prophetenbuch Micha enthält den Vers (7, 15): "Wie in den Tagen, da du aus Ägypten zogst, werde Ich ihm Wunder zeigen". Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass der Auszug aus Ägypten ein Muster sein würde für alle späteren Erlösungen. Nachdem der Vers sie vergleicht, müssen sie sich in jeder Hinsicht gleich sein. Daher steht dies fest: Genauso wie der Auszug aus Ägypten aus ihrer Entschlusskraft und ihrer Opferbereitschaft resultierte, so wird die zukünftige Erlösung gleichfalls das Ergebnis derselben Haltung und Einstellung seitens der Juden sein.

Wenn aber unter solchen Vorzeichen Entschlossenheit die unerlässliche Vorbedingung für die Ausführung aller Mizwot ist, dann gilt dies in ganz besonderem Masse für die Mizwa von "Ahawat Jisrael", die doch (nach Talmud, Schabbat 31a) die Grundlage der gesamten Tora ist; und da dürfen wir uns durch keinerlei Schwierigkeiten oder Hindernisse entmutigen lassen.

So muss man sich mit einem Juden über Themen ins Gespräch einlassen, die sich auf die Einhaltung und Beobachtung von Tora und Mizwot beziehen. Sollte dies sich zuerst als fruchtlos erweisen, dann muss man es erneut versuchen. Selbst wenn der andere sich darüber erzürnen oder erregen sollte, darf man sich nicht abschrecken lassen. Im Gegenteil, wenn dies vorkommt, dann ist es oft ein Anzeichen dafür, dass man doch auf eine schwache Stelle gestoßen ist. Folglich muss man jede neue sich bietende Gelegenheit zu diesem Zwecke wahrnehmen.

Dabei muss man gleichzeitig Standhaftigkeit und Milde beweisen. Man soll nicht absichtlich den anderen verärgern oder aufreizen. Man muss sich klar darüber sein, dass die Tatsache, dass bis jetzt sich kein wirklicher Erfolg eingestellt hat, gewöhnlich nicht die Schuld des anderen ist. Der Fehler ist häufig darin zu suchen, dass man nicht ernsthaft genug argumentiert hat und daher nicht in das Herz des anderen eindringen konnte.

Genauso wie beim Auszuge aus Ägypten, ab sich in verschiedener Weise bewahrheitete, dass dieser sowie all die wunderbaren Begleiterscheinungen, nur durch die Entschlossenheit der Israeliten erzielt werden konnten, so muss man auch hier ständig mit Entschlossenheit handeln und unbeirrt sich der großen Aufgabe von "Ahawat Jisrael" widmen.