Die dieswöchige Sidra enthält die markigen Worte (Exodus 10, 3): "Moses und Aaron kamen zu Pharao und sagten zu ihm. So hat der Ewige, der G-tt der Hebräer, gesprochen: Wie lange weigerst du dich noch, dich vor Mir zu demütigen? Lass Mein Volk gehen, dass sie Mir dienen!"
Fest entschlossen standen Moses und Aaron vor dem Herrscher über das damals mächtigste Reich; die gewaltige Stärke Ägyptens kümmerte sie so wenig wie die augenscheinliche Schwäche ihrer eigenen Lage. Sie duckten sich nicht ängstlich, sie kamen nicht wie Kriecher oder Schmeichler, und so baten sie nicht um Gunst oder Begünstigung. Sie hatten nicht den Ehrgeiz, "ägyptischer als die Ägypter" zu sein, oder Pharao mit ihrer Beherrschung seiner Sprache oder mit ihrer diplomatischen Gewandtheit zu beeindrucken. Nein. Wie sie da vor Pharaos Thron stehen, sind sie nichts als jüdisch, unverkennbar jüdisch, sowohl in ihrer Kleidung wie was ihre Gebräuche betrifft. Stolz und kühn verlangen sie die Rechte ihres Volkes.
Längst bekannt und längst diskreditiert ist ein Wahlspruch der Assimilanten, der da lautete: "Sei ein Jude zu Hause und eine Person (also: neutral) außerhalb des Hauses." Es dauerte gar nicht lange, bis man erkennen musste, dass jemand, der sich seines Jude-Seins auf der Straße schämte, auch ein immer schwächerer Jude zu Hause wurde. In einer etwas verwässerten Fassung ist ein solches Leitmotiv bei manchen noch heute gangbare Ware. An sich sind sie wohl auch bereit, öffentlich eine Kopfbedeckung zu tragen, und sie sind auch nicht geneigt, Verbote der Tora offen zu übertreten; aber eigentlich fühlen sie dabei, dass hier in den westlichen Ländern wir in dieser Hinsicht "verlorene Schafe" sind. Also sollten wir uns "still verhalten", wir sollten unsere Jüdischkeit nicht allzu lärmend zur Schau stellen. Niemand sollte aus ihrem Verhalten entnehmen können, sie seien in erster Linie Juden und "nur" in zweiter Linie Bürger des Staates, in dem sie leben.
Dem steht die Moses-und-Aaron-Haltung gegenüber. Aus ihr spricht zu uns völlige Ehrlichkeit und Kühnheit in Bezug auf die Tora-Prioritäten jedes einzelnen und seine Bindung an die Tora.
Was ist der eigentliche Unterschied zwischen diesen beiden Methoden? Die erste, die doch darin besteht, dass man sein Jude-Sein zu verbergen sucht, vermag den Nichtjuden nur zeitweilig, nur vorübergehend zu täuschen. Am Ende nämlich schämt sich der betreffende Jude, eine Einladung ablehnen zu müssen, und so isst er das Brot der Nichtjuden und trinkt dessen Wein; denn an sich hofft er, damit die Freundschaft, ja die Bruderschaft des anderen zu gewinnen. Früher oder später jedoch denkt sich der Nichtjude: "Dies ist ja gar nicht die Art und Weise, wie sich sein Vater, sein Großvater, sein Urgroßvater verhalten haben. Eigentlich hat er sie verraten – und wie kann ich daher versichert sein, das er nicht auch mein Vertrauen in ihn verraten wird?
Was war der oberste Gedankengang der Assimilanten vor einem Jahrhundert? Sie vertraten diese Theorie: Wenn nur die Juden ein Volk wie alle anderen Nationen sein würden, und wenn jeder einzelne Jude sich in seiner Lebensweise nicht von einem Nichtjuden unterscheiden würde, dann wäre dies das Ende des Antisemitismus. Heute aber, nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und allem, was darauf folgte, bis hin zu einigen Vorfällen sogar aus jüngster Zeit, ist offensichtlich, dass jemand, der sich immer noch diesen illusorischen Glauben hingibt, überhaupt nichts gelernt hat. Er gehört in die Genossenschaft all derer, die wirklichkeitsfremd sind und sich so gebärden, als hätten die Ereignisse der letzten 50 Jahre gar nicht stattgefunden.
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