Die dieswöchige Sidra endet mit den Worten (Exodus 13, 16): "Und es sei zum Zeichen auf deiner Hand und zum Stirnband zwischen deinen Augen, dass mit starker Hand G-tt uns aus Ägypten herausgebracht hat."

Wesentlich für das Judentum ist der Begriff von Einheit. Zuerst einmal und vorrangig hat es den Grundsatz von Haschem Echad: Ein G-tt und eine Tora. Dann aber gibt es noch eine weitere Art von Einheit, und zwar das Ideal der innerlichen Einigkeit und Harmonie in jedem Menschen selbst.

Zu diesem Thema haben sich in der Welt der Wissenschaften im Laufe der Zeit unterschiedliche Ansichten gebildet. So gibt es eine Auffassung, derzufolge man allen körperlichen Wünschen und Neigungen nachgeben und die Anliegen der Seele völlig außer acht lassen sollte. Nach einer anderen Meinung wiederum sollte der Körper kasteit werden, weil dies der Seele ganz besonders nützen würde. Das Judentum dagegen lehrt, dass die Seele die Aufgabe hat, den gesunden Körper im Einklang mit der Tora zu führen und zu lenken; Körper und Seele müssen zusammen funktionieren, so dass eine große Harmonie vorherrscht.

Wenn wir die Blickrichtung noch verengen und uns mehr spezifisch allein mit dem "Seelenleben" befassen wollen, müssen wir in diesem Zusammenhang feststellen, dass sehr unterschiedliche Theorien vorgetragen werden, wenn es sich darum handelt, die vorherrschenden Kräfte und Impulse herauszuschälen, die das Leben des Menschen und seine moralischen Entscheidungen motivieren sollten. So sagen denn manche, der Mensch sollte den Diktaten seiner Intelligenz, einer vernünftigen und objektiven Logik gehorchen. Andere hingegen wollen eine derartige psychologische Vorherrschaft seinem Herzen und daher seinem Gefühlsleben zuerkennen. Dann gibt es noch eine dritte Gruppe, die überhaupt nichts übrig hat für Ideen oder Gefühle, sondern nur Wert auf das Tun legt; für sie fällt lediglich ins Gewicht, wie man handelt.

Für die Tora indessen ist das Ideal die Einheit: Der Mensch muss nach einem Zustand von Vollkommenheit streben, der nur dann erreicht werden kann, wenn Kopf, Herz und Hand in Einmütigkeit zusammenarbeiten, den Wünschen G-ttes entsprechend.

Diese überaus wichtige innere Harmonie nun findet ihren Ausdruck in der Mizwa von Tefillin. Die Tefillin auf dem Arm, nahe dem Herzen, gemeinsam mit den Tefillin auf dem Kopfe: beide zusammen erst tun der Vorschrift und dem Begriff Genüge. Gedanken, Gefühle und Taten also müssen übereinstimmen – Herz, Geist und das Tun der Hände in gutem Einklang. Überdies flösst die eigentliche Handlung selber, das Anlegen der Tefillin als solches, ihrem Träger eine spirituelle Stärke ein, die ihn dann befähigt, ein Leben im Sinne der Tora zu führen, mit Kopf: Hand und Herz in rechter Harmonie.

Der Talmud (Schabbat 130a) berichtet über einen Vorfall, wie folgt: Es trug sich zu in einer Zeit, da Israel unter fremder Oberherrschaft stand und das Tragen von Tefillin mit dem Tode bestraft wurde. Der Talmud klagt darüber, dass man oft nicht bereit war, sich für diese Mizwa hinlänglich aufzuopfern – wie sich im Falle von EIischa, "dem Mann mit den Flügeln", herausstellte, der diesen Spitznamen aus folgendem Grund erhielt: Einmal ging er auf der Straße und hatte seine Tefillin an, und da sah ihn ein Vollstreckungsbeamter und lief ihm nach. Sofort nahm Elischa seine Tefillin ab und hielt sie in seiner Hand, und als der Beamte ihn einholte und ihn fragte, was er da in der Hand habe, antwortete Elischa: "Flügel einer Taube." Dann öffnete er die Hand, und siehe da, durch ein Wunder hatten sich die Tefillin in der Tat in Taubenflügel verwandelt.

Nach der Ansicht der Weisen im Talmud (s. auch Tossafot z.St.) war Elischa jedenfalls – und mit ihm viele im Volk – der Mizwa von Tefillin nicht mit der Treue ergeben und verpflichtet, wie diese Mizwa es eigentlich verdient!