1. Zu Beginn unseres Wochenabschnittes, wie auch im vorherigen Wochenabschnitt „Wajeschew“ berichtet uns die Tora von Träumen: Pharaos Traum (in Wochenabschnitt „Mikez“), Josefs Traum als auch die Träume des Mundschenks und des Leibbäckers von Pharao.
All diese Träume haben zum Exil in Ägypten geführt – der Wurzel aller Exile (Likutei Tora des Arisal, Parascha Teze). Da alle Geschehnisse von G“tt gefügt werden, versteht es sich von selbst, dass das Ergebnis – das Exil – mit seiner Ursache – dem Traum – vergleichbar und verbunden ist.
2. Die Verbindung zwischen Exil und Traum wird an verschiedenen Stellen erörtert, darunter auch in Tora Or (Wajeschew 28:3). Ein Traum entspringt aus der Vorstellungskraft, welche zwei Gegensätze miteinander verbinden kann, bis selbst ein Elefant in ein Nadelöhr passt, nur weil man vorher an diese Motive gedacht hat (Brachot 55, §72 und §139).
So erscheint es auch z.B., in der Zeit des Exils vernünftig, dass man den eigenen Körper liebt weil man G“tt liebt, obwohl das eine das andere ausschließt. Dies geht soweit, dass man sogar seinen Trieben nachgibt und G“ttes Willen zuwiderhandelt.
Deshalb erklärt Tora Or and jener Stelle auch, dass man nicht meinen soll, Gebet, Tora und Gebote seien nichtig, weil man gleich nach dem Gebet das Gegenteil von dem tut, was man sich gerade noch vorgenommen hat. Dem ist nicht so. Der Ursprung des Exils liegt an einem sehr hohen Ort, und dieser kommt gerade während des Exils zum Vorschein (siehe dort ausführlich).
3. Die Erklärung davon beim Dienst in der Seele des Menschen ist wie folgt:
Die g“ttliche Seele jedes Juden ist immer unversehrt. Tora und Mizwot eines Juden sind bleibend – immer und ewig (Tanja, Kap. 25). Dem entgegen sind die unrichtigen Sachen, die ein Jude tut immer nur zeitweilig (da ja jeder Jude letztendlich Umkehr tut). Demzufolge sind sie auch jetzt nur zeitweilig, wie austrocknende Teiche (Para 8:9). Deshalb kann das Schlechte – G“tt verhüte – niemals das Gute überwiegen, da es immer nur zeitweilig ist während das Gute unversehrt bleibt.
Dies ist auch ein Vorteil der Zeit des Exils gegenüber jenen Zeiten, als der Tempel stand. Damals leuchteten die innerlichsten Kräfte der Seele und dies bedeutet eine gewisse Eingrenzung. Deshalb durfte auch z.B. ein Unreiner nicht den Tempel betreten. In der Zeit des Exils leuchten die umgebenden Kräfte der Seele, im denen keinen Begrenzungen bestehen, wie steht "der mit ihnen inmitten ihrer Unreinheit weilt".
4. Die Anweisung davon ist:
Es gibt jene, die fälschlich meinen, dass die einzige mögliche Art des G"ttesdienstes darin besteht, dass man ordentlich mit einfachen Aufgaben anfängt und, solange man mit diesen nicht fertig ist, nicht über schwerere nachdenken sollte. Sicherlich – als "ordentlicher Mensch" ist dies die einzige Art des Fortschreitens. Da wir aber "wie Träumende" sind, kann und soll man jede Art des G"ttesdienstes, zu der man Gelegenheit hat, ergreifen, wie auch unsere Meister seligen Angedenkens (Eruwin 54a) sagen "greif zu und iss, greif zu und trinke".
Auch wenn sich ein Mensch in einer Situation befindet, von der gesagt wird "es ist unmöglich mit der Arbeit zu beginnen ... ohne dass man zuerst das Vergangene bereut" (Tanja, Kap. 17), so entscheidet doch der Alte Rebbe sowohl im Buche Tanja – der Innerlichkeit der Tora, als auch in seinem Schulchan Aruch – der offenbarten Tora – dass ein solcher Mensch Tora lernen und Mizwot erfüllen muss. Auch wenn seine Kräfte dadurch zeitweilig nicht ausschließlich in die richtige Richtung gelenkt werden, so ist es doch sicher, dass endgültig "kein Entfernter von Ihm entfernt bleiben wird" und er mit gelernter Tora und erfüllten Mizwot mit ihm an den richtigen Ort zurückkehren.
5. Dies alles gilt nicht nur für die offenbarte Tora, sondern auch für die verborgene, innere Seite der Tora mit ihren Anweisungen und Bräuchen. Dies entspricht jener Anweisung unsere Meister seligen Angedenkens "greif zu und iss" - welches sich auf die offenbarte Tora bezieht – als auch "greif zu und trinke", welches die verborgene Seite der Tora bezeichnet.
Auch wenn man in früheren Generationen nicht die Innerlichkeit der Tora lehren konnte, ohne dass man davor viele Vorstufen durchlief, so ist es doch in den heutigen Generationen "ein Gebot, die Weisheit zu offenbaren" (Igrot ha Kodesch, im Namen des Arisal). Insbesonders nach der Offenbarung der Chassidus-Lehre durch dem Baal Schem Tow, dem Alten Rebben und seinen Nachfolgern, ist man verpflichtet, die Innerlichkeit der Tora zu lernen, so wie die anderen Teile der Tora auch (siehe auch Hilchot Talmud Tora vom Alten Rebben 1:4 und 2:10).
6. Beim Handeln gemäß des "greif zu und iss, greif zu und trinke" berücksichtigt man nicht seinen eigenen Zustand und vermehrt – wie im Traum – Tora und Mizwot. Durch das Vermehren von Tora und Mizwot wiederum beendet man den Schlaf des Exils mit dem das Licht der Erlösung "G“tt wird dir zum ewigen Licht" (Jesaja 60:2), wie eben das Licht zum Erwachen führt.
7. Und das ist die praktische Bedeutung davon, dass die Träume sowohl zum Exil in Ägypten, als auch zum Auszug aus Ägypten führten.
Das Exil in Ägypten war das schwerste aller Exile, darum wird auch jedes Exil als "Ägypten" bezeichnet" (Bereschit Rabba 16:4). Eben deshalb ist das Ergebnis davon dass "sie mit großem Besitz" auszogen (Bereschit 17:14).
So auch im jetzigen Exil. Gerade weil unser ganzer G"ttesdienst im Exil den Charakter eines Traumes hat, können wir auf eine höhere Stufe springen. Durch so vermehrte Tora und Mizwot werden wir den Schlaf beenden und zu Stufe von "beim Auszug aus Ägypten werde ich dir Wunder zeigen" (Micha 7:17) – beim Kommen vom Moschiach unserer Gerechtigkeit, bald, in unseren Tagen.
ב"ה
Ein Traum und sein Ende
Likkutej Sichot, Band 1, Seite 85-88
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