1. Der heutige Wochenabschnitt beginnt: Und Jaakow verließ Beer Shewa und er ging nach Charan“. Nach Raschi ist dies eine Wiederholung vom Ende des vorigen Wochenabschnitts.

Die Tora ist äußerst genau, und man lernt von einem einzigen zusätzlichen Buchstaben ganze Halachot. Dies gilt umso mehr, wenn eine ganze Handlung mehrere Male wiedergegeben wird. Dabei handelt es sich um eine Anweisung für jede Generation und für jeden Ort – auch für die heutige Zeit, da die Tora ewig ist.

2. Die Bedeutung des Namen „Beer Schewa“ wird von der Tora auf zwei Weisen erklärt. 1) Schewa wird mit dem Schwur (hebräisch Schwu’a) in Verbindung gebracht, mit dem König Awimelech seinen Bund mit Awraham bekräftigte. 2) „Beer Schewa“ wird als „siebter Brunnen“ aufgefasst, der nach dem Friedensschluss mit Awimelech gegraben wurde. Beide Deutungen weisen auf einen Zustand der Ruhe bei den Juden hin. „Und er ging nach Charan“ ist das genaue Gegenteil davon, denn Charan deutet au den „Zorn der Welt“ hin.

Nun könnte die folgende Frage gestellt werden: G“tt hat uns mit voller und breiter Hand Tora und Mizwot gegeben. Wohin man sich dreht und wendet, findet man stets ein Gebot oder eines der 365 Verbote mit ihren Verästelungen. Könnte man da nicht erwarten, dass G“tt die Sorgens des Exils und des Lebensunterhalts usw. von uns nimmt um uns das Erfüllen der Mizwot zu erleichtern? Noch mehr, wäre es nicht viel besser, wenn wir weniger mit den Angelegenheiten dieser Welt zu tun hätten und mehr Zeit im Zelte der Tora verbringen könnten?

Darauf antwort die Tora mit der Geschichte Jaakows, der für die Kindern Israels in ihrer Reinheit und Absonderung steht, da Jaakows Lagerstätte anders als bei Awraham mit Jischmael und Jizchak mit Esaw – unversehrt blieb.

Bevor Jaakow heiraten und ein Haus in Israel bauen sollte, trug man ihn auf, Beer Schewa und die Jeschiwot von Schem und Ewer zu verlassen und nach Charan zu gehen an den Ort des Zorns der Welt.

Ehe er die Aufgabe erhielt, das Volk Israel zu errichten, konnte und sollte er in Beer Schewa weilen, einem Ort an dem die G“ttlichkeit offenbar und greifbar war, einem Ort an dem die Erfüllung der Mizwot leicht und der Verstoß gegen sie schwer fiel. Aber um ihn dazu zu befähigen, musste er Beer Schewa verlassen und zu einem Ort von Finsternis und Dunkelheit kommen, an dem die G“ttlichkeit verborgen und versteckt ist. Wenn schon die Welt an sich ein Ort der G“ttesfinsternis ist (Olam wie He’elem), wie viel mehr der Ort des Zorns der Welt, an dem die Erfüllung der Mizwot schwer, und der Verstoß gegen sie leicht fällt? Und doch war es das Bestehen der Prüfungen, welches ihn befähigte das Haus Israel zu bauen, seine Lagerstätte ganz und unversehrt zu bewahren.

Dies ist eine Anweisung für jeden Juden. Es sind die Prüfungen, die wir bestehen, die uns in die Lage versetzen ein jüdisches Haus zu bauen, ein helles Haus und ein warmes Haus.

3. Die richtige Abfolge davon ist, wie sie im Wochenabschnitt weiter ausführt wird.

Als Jaakow nach Charan ging, war das Erste, was er tat „er traf auf einen Ort der Heiligkeit“ – d.h. er betete. Dies scheint unverständlich: Er geht doch nach Charan um dort seinen Ehepartner zu finden, hätte er nicht zuerst die Sprache und Sitten jenes Ortes lernen sollen, sich die dort üblichen Kleider anziehen sollen usw.? Jaakow jedoch ließ all diese Dinge hinter sich und widmete dem Dienst des Gebetes.

Wie bereits gesagt, sind alle Geschichten um Jaakow – wie alle Geschichten der Tora – ein Anweisung für alle Generationen.

Wenn jemand ein Haus in Israel aufbaut, könnte er meinen, bisher habe er gesessen und Tora gelernt oder sich mit Gebet und Gebot beschäftigt, jetzt jedoch, wo er in die Welt gehe, müsse er all dies ablegen und aufgeben, sich an die Gepflogenheiten des Ortes gewöhnen und den Bewohnern jenes Ortes nachlaufen usw. Darauf antwortet man: Nein. Worauf dann soll er sich zuerst konzentrieren? Auf „er traf auf einen Ort der Heiligkeit“ – noch stärker als bisher. Denn seine ganze frühere Arbeit, seine Beschäftigung mit Tora, Mizwot und Gebet reichen jetzt, da er heraus in die Welt geht und die Versuchungen, denen er ausgesetzt ist unvergleichbar größer sind, nicht mehr aus. Deshalb muss er zuerst G“tt um die Kraft bitten, diese Prüfungen zu bestehen, beten.

4. Die Tora erzählt weiter wie Jaakow auf dem Weg nach Charan „…von den Steinen des Weges nahm und sie unter seinen Kopf legte“. Raschi erklärt, dass er eine Art Schutz um seinen Kopf baute, weil er sich vor wilden Tieren fürchtete. Jaakow wusste wohin er geht und dass es selbst schon auf dem Weg, noch nicht in Charan selbst, wilde Tiere gibt. Um sich vor diesen zu schützen, umringte er seinen Kopf mit Steinen.

Es scheint unsinnig, dass Jaakow nur seinen Kopf mit Steinen umgab, und nicht seine anderen Körperteile. Wenn er auf G“tt vertraute, hätte er auch seinen Kopf nicht schützen müssen. Und wenn er sich nicht auf übernatürliche Ereignisse verlassen wollte, hätte er nicht auch seinen Körper und die Füße schützen müssen?

Eine Erklärung ergibt sich aus dem Vers „durch die Anstrengung deiner Hände wirst du essen und es wird dir gut gehen“ (Psalm 128). Es ist ausgerechnet durch die Anstrengung deiner Hände, durch die es dem Menschen gut geht. Die Beschäftigung mit dem Lebensunterhalt kann ja auf zwei Weisen erfolgen, durch die Anstrengung der Hände, die den Kopf frei lässt für Tora und G“ttesdienst oder durch die Anstrengung des Kopfes.

Und es ist die Anstrengung der Hände, die den Kopf für Tora und G“ttesdienst frei lässt, welche dem Menschen Glück und Erfolg auf geistiger wie auch materieller Ebene – zuteil werden lässt, während die zahlreichen Listen und Tricks versagen, wie geschrieben steht dass die Nahrung nicht bei den Listigen zu finden ist und dass diese sogar zum Untergang führen, wie es an vielen Orten geschrieben steht.

Auf dem Weg nach Charan ging, wusste Jaakow wohin er geht und dass er Lawan, dem Aramäer dienen wird. Er wusste auch, dass schon unterwegs wilde Tiere auf ihn lauern. Die Steine legte er um seinen Kopf um sicherzustellen, dass sich niemand seinem Kopf nähern kann, nicht die Sorgen des Weges und nicht die Arbeit bei Lawan. Sowohl die Vorbereitungen für den Lebensunterhalt als auch der Lebensunterhalt selbst an sich sollten nur mit den Händen geschehen.

Auch dies ist eine Anweisung für jeden von uns: Man muss darauf achten, dass der Kopf beschützt ist, und wenn der Kopf so ist, wie er sein soll, werden auch Hände und Füße so sein, wie sie sein sollen. Die Bestreitung des Lebensunterhalts wird im Einklang mit dem Schulchan Aruch geschehen, der linke Arm das Schlechte abweisen, der rechte Arm das Gute heranziehen und die Füße zu den Dingen der Gebote laufen.

5. Es waren ausgerechnet Steine, mit denen Jaakow seinen Kopf umringt und von der Welt abgeschirmt hat. Nicht mit Verstand, oder Gefühl, sondern mit Steinen – leblosen Dingen, die nicht einmal die Kraft haben, zu wachsen – verband sich Jaakow.

Die Bedeutung davon ist: Wenn man in die Welt hinausgeht, und nicht von ihr beeinflusst werden will, muss man zuerst das Joch der Herrschaft G“ttes vollkommen auf sich nehmen. Verstand oder Gefühl haben damit wenig zu tun, sondern. Und wie ein Stein sollte man sich gegenüber dieser Welt fühlen – und meine Seele soll wie Erde sein (Mischna Berachot, 17:1).

Ein lebloses Ding kann sich nicht alleine bewegen, sondern verharrt an seinem Ort bis es aufgehoben und wieder niedergelegt wird. Und so sollten wir auch uns als einen einfachen Diener sehen, der von an einem Ort zum nächsten getragen wird und der sich tragen lässt, um die Aufgaben zu erfüllen, die G“tt ihn auferlegt.

6. Die Belohnung davon ist, wie es am Ende des Wochenabschnitts steht, dass „ich diesen Stein zum Haus G“ttes setzen werde“. Nicht Silber und nicht Gold, sondern einfache Steine, nicht einmal Steine aus der Stadt, aus einem bewohnten Haus, sondern Steine, die Jaakow mitten auf dem Weg fand, werden zum Haus G“ttes, dadurch, dass er sich mit ihnen umgab und dadurch, dass er sich mit G“tt durch einen Schwur verband.

Wenn es nur Willen, Verstand und Gefühl gewesen wäre, so hätte Jaakow seinen Vorsatz nicht einhalten können, aber dadurch, dass er sich durch den Schwur verpflichtet hatte, gelangte er zur allerhöchsten Stufe der Verbindung mit G“tt, die selbst die gewöhnlichsten Dinge zu einem Haus G“ttes erhoben.

Und dies ist die Anweisung und Lehre für jeden Menschen, insbesondere aber für Bräutigam und Braut, die ein jüdisches Heim errichten wollen: Nicht nur der Siddur und der Chumasch im Haus sind heilig, sondern – auf andere Weise – auch Gabel und Löffel. Dies wird erreicht, wenn man zu Beginn stets „auf einen Ort der Heiligkeit trifft“, bis nicht nur im wachen Zustand und nicht nur beim Beten, sondern auch beim Schlafen „dies das Tor des Himmels“ ist. Damit wird das Heim mit allem, was sich in ihm befindet zu einem echten Haus G“ttes.