Im Midrasch wird die tiefere Bedeutung des einmaligen geschichtlichen Ereignisses von 'Matan Tora' (Die Offenbarung der Tora vom Himmel zur Menschheit) beleuchtet. Der Midrasch erklärt, dass vor Matan Tora eine Grenze zwischen Himmel und Erden existierte, die durch Matan Tora entfernt wurde.

Vor Matan Tora war es nicht möglich, aus einem materiellen Objekt einen 'Chefez Schel Keduscha' (einen heiligen Gegenstand) zu machen. Doch nach Matan Tora wurde es dem Menschen ermöglicht, Himmel und Erde einander näher zu bringen, in dem mit materiellen Gegenständen Mizwot erfüllt und gleichzeitig tiefe geistige und moralische Ideen in die Tat umgesetzt werden.

Dieser Gedanke wird in den zehn Geboten illustriert. Während die ersten Gebote tiefe philosophische Grundlagen enthalten, (die Einzigkeit G-ttes u.s.w.), befassen sich die letzten fünf mit ganz einfachen und selbstverständlichen moralischen Grundsätzen, die wir wahrscheinlich auch ohne die Tora befolgen würden.

Es wird jedoch verlangt, dass der Mensch die Ersten mit den Letzten Geboten in Verbindung bringt. Er soll die Letzteren befolgen, weil es einen einzigen G-tt gibt und es dieser von ihm verlangt und nicht nur deshalb, weil die Menschheit es als unwürdig empfindet, diese Sünden zu begehen. Nicht nur wird so garantiert, dass der Mensch die Gebote auch tatsächlich befolgt (wenn er sie nur befolgen würde, weil sie ihm moralisch und richtig erscheinen, könnte er sehr schnell dazu kommen, die Gebote unter Umständen zu übertreten, denn „auf die schlimmsten Sünden verdeckt die Eigenliebe“. Sowie ein Mensch, der seine Augen mit dem Finger zudrückt, die grosse Welt wegen seinem kleinen Finger nicht sehen kann, genauso kann der Mensch auch seine grossen Fehler wegen seiner kleinen Eigenliebe nicht erkennen.) Es ist auch von viel grösserer Bedeutung, wenn er die Mizwot als g-ttliche Gebote auffasst und befolgt. So werden bei ihm auch die einfachsten und grundlegendsten Verhaltensmuster der Gesellschaft heilig. So dienen die zehn Gebote als Lehre, selbst die tiefsten Gedanken mit praktischen Taten zu verbinden.

Gleichzeitig aber lehrt uns diese merkwürdige Verbindung der ersten fünf und letzten fünf Gebote dass auch der niedrigste Mensch den Weg zu höheren Ideen suchen muss. Auch der, dem tatsächlich nur der strenge Befehl G-ttes als Schranke dient, um ihn vom Schlimmsten abzuhalten, muss sich gleichzeitig auch mit den tiefsten und philosophischen Gedanken der Tora befassen. Denn Matan Tora öffnete die Wege in beide Richtungen: „Haeljonim jerdu Lemata Wehatachtonim jaalu lemala“: (Die Oberen sollen heruntersteigen und die Unteren sollen heraufsteigen).