Hast Du einmal versucht, ein Buch zu lesen, dass vor über tausend Jahre geschrieben wurde? Das wird Dir wahrscheinlich nicht gelingen, denn die Sprache der Menschen und ihre Schrift ändern sich mit der Zeit. Nach einer so langen Zeit ist es fast unmöglich, denn Sinn des Buches zu verstehen.

Ein nichtjüdischer Mann kam einst zu Hillel. Hillel lebte vor ca. 2.000 Jahren und war ein ganz großer Gelehrter. Dieser Mann verlangte von Hillel, dass er ihn konvertieren soll aber nur unter der Bedingung, dass er ihn nur die schriftliche Lehre und nicht die mündliche Lehre lehren werde. Hillel erklärte sich damit einverstanden. Um die schriftliche Lehre zu lernen, musste der Mann natürlich zuerst die jüdische Schrift lernen. Und so lehrte ihn Hillel die Buchstaben des jüdischen Alphabets. Am nächsten Tag kam der Mann wieder und Hillel wiederholte mit ihm dasjenige, welches sie am gestrigen Tag gelernt hatten. Doch diesmal lehrte er ihn alles genau verkehrt: Was gestern ein Alef (der erste jüdische Buchstabe) gewesen war, war heute ein Bejt u.s.w.

Der Mann wunderte sich und fragte: "Gestern haben sie mir doch etwas anderes gesagt?!"

Hillel antwortete ihm: "Sie sehen also, dass man, um die schriftliche Lehre zu verstehen, sich auch auf einen Lehrer verlassen muss und ihm vertrauen muss. Genauso wie dies bei der Schrift zutrifft, gilt dies auch für die Bedeutung. Um die Bedeutung der Tora richtig zu verstehen, muss man sich auf die Lehrer verlassen und ihnen vertrauen."

Die mündliche Lehre ist die Erklärung und Ergänzung der schriftlichen Lehre. Ohne die mündliche, wäre die schriftliche wie ein verschlossenes Buch und niemand würde sie richtig verstehen. Doch woher stammt eigentlich die mündliche Lehre? Sie stammt genau wie die schriftliche von Mosche und von G-tt. Als G-tt Mosche die Tora für das jüdische Volk gab, erklärte er ihm auch alle Mizwot und unklare Stellen in der Tora. Diese Erklärungen gab Mosche an die nächste Generation weiter und diese gab sie an die nächste weiter.

Während über 1.300 Jahren wurde die mündliche Lehre nie schriftlich in einem Buch zusammengefasst. Dann wurde das jüdische Volk durch die Römer von Israel vertrieben und über die ganze Welt zerstreut. Damit die mündliche Lehre nicht in Vergessenheit geraten konnte, wurde sie zum ersten Mal schriftlich in den Mischnajot festgehalten. Der Verfasser der Mischnajot war einer der größten Gelehrten und Heiligen aller Zeiten. Sein Name war Rabbi Jehuda Hanassi (der Fürst). Er war Fürst über das jüdische Volk und ein sehr reicher Mann. So konnte es ihm gelingen, dieses monumentale Werk zu beenden.