Jemand rief mich an und erkundigte sich unauffällig nach einem Jungen, mit dem seine Tochter ausging. Ich beantwortete alle Fragen über die Familie und ihre Religiosität, über seine Bildung und seinen Charakter. Dann überraschte mich die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem jungen Mann und seinen Eltern. Ich dachte: Warum ist das wichtig? Was sagt uns das über einen Menschen? In Szenen, die an den Exodus erinnern, werden wir uns in dieser Woche erheben und die Zehn Gebote sprechen und damit die Tora erneut annehmen. Als alle Juden am Fuße des Berges Sinai standen, verkündete G-tt zuerst diese Zehn Gebote, bevor er seinem Volk eine dauerhafte Erinnerung daran in Form von zwei Steintafeln überreichte.

Wenn wir diese zwei Tafeln näher betrachten, betreffen die fünf Gebote auf der Ersten unser Verhältnis zu G-tt:

  1. Glaube an mich.
  2. Habe keinen anderen G-tt neben mir.
  3. Sprich meinen Namen nicht leichtfertig aus.
  4. Halte meinen Schabbat ein.
  5. ?

Auf der zweiten Tafel geht es um das zwischenmenschliche Verhalten:

  1. Morde nicht.
  2. Brich nicht die Ehe.
  3. Stehle nicht.
  4. Verbreite keine Gerüchte.
  5. Begehre nicht, was anderen gehört.

Aber was ist mit Nummer 5: "Ehre deine Eltern?" Wie passt das in den Kontext? Ehre ich meine Eltern als Teil meines Versprechens, ein frommes Leben zu führen, oder ehre ich sie wegen ihrer Bemühungen um mich? Im letzteren Fall würde das Gebot eher auf die zweite Tafel passen.

Einmal beschrieb ein Comedian seine Gefühle, als er endlich Kinder hatte: "Ich hatte weniger Lust, mich mit Narren abzugeben. Irgendwie brauchte ich das nicht mehr, denn jetzt konnte ich selbst Kinder machen."

Ganz richtig ist das nicht, weil Eltern allein keine Kinder machen – sie teilen dieses Vorrecht mit G-tt. Und von den drei Partnern, die an dem Wunder namens Empfängnis beteiligt sind, ist G-tt bei weitem der wichtigste.

Wenn ein Paar beschließt, Kinder zu haben, lädt es schöpferische g-ttliche Fähigkeit zu sich ins Leben ein. Und weil die beiden einen Funken G-ttlichkeit, Seele genannt, in den fruchtbaren Boden dieser materiellen Welt säen wollen, eifern sie G-tt nach.

Ein Kind, das seine Eltern liebt und achtet, drückt damit gewiss Dankbarkeit dafür aus, dass sie es aufgezogen haben; aber noch wichtiger ist ein anderer Aspekt: Indem es seinen Eltern und deren Entscheidung, G-ttes Partner bei der Schöpfung zu sein, dankt, ehrt es zugleich deren Partner: G-tt. Das ist der Grund, warum dieses Gebot auf der ersten Tafel stand.