Vor seinem Tod versammelte Jakow all seine Söhne um sich und sagte ihnen: Versammelt euch und ich werde euch offenbaren, was euch am Ende der Tage widerfahren wird.1 Doch Jakow hielt sein Versprechen nicht ein, ihnen die Zukunft offen zu legen und segnete stattdessen jeden seiner Söhne.
Was wollte ihnen denn Jakow offenbaren und warum tat er es doch nicht? Erklärt der Talmud: „Er wollte ihnen offenbaren, wann die Erlösung kommt, doch G-tt nahm ihm plötzlich dieses Wissen weg.“2
Die Absicht Jakows scheint merkwürdig: Welchen Nutzen hätte es für die Söhne zu wissen, dass die Erlösung erst nach mehreren tausend Jahren kommt (und wir sind selbst Zeugen dafür, dass die Erlösung noch immer nicht gekommen ist)?! Sie und ihre Nachkommen (das jüdische Volk) hätte dieses Wissen doch nur deprimiert und demotiviert. Sie würden nicht mehr auf die Erlösung warten und auf sie hoffen! Wollte das Jakow etwa bewirken?!
Zwei Varianten
Um Jakows Absicht zu verstehen, liegt es an uns, die zwei Varianten kennenzulernen, wie die Erlösung eintreffen kann. Der Talmud sagt: „Wenn sie es sich verdienen, werde ich die Erlösung schneller bringen; wenn sie es sich nicht verdienen, kommt sie zu ihrer festgelegten Zeit.“3
Die Erlösung hat zwar einen bereits festgelegten Zeitpunkt und auch wenn das jüdische Volk ihrer nicht würdig ist, wird sie zu diesem Zeitpunkt eintreffen; doch sollte es sich das jüdische Volk verdienen, wird G-tt sie um vieles früher bringen.
Jakow wollte seinen Söhnen nicht den Zeitpunkt verraten, an dem die Erlösung spätestens kommt, sondern einen anderen Zeitpunkt, der viel früher war und an dem die Erlösung hätte eintreffen können, wenn sie es sich verdient hätten. Wahrscheinlich war dieser Zeitpunkt nur Jahre oder wenige Jahrzehnte von ihnen entfernt (denn sonst hätte es ja keinen Sinn, ihnen davon zu erzählen).
Hätten sie es nur gewusst...
Doch wann sollte dieser Zeitpunkt gewesen sein? Wir sehen doch, dass die Erlösung damals nicht eingetroffen ist?! Das eine hängt mit dem anderen zusammen: Hätte Jakow seinen Söhnen jenen Zeitpunkt der Erlösung verraten, würde sie wirklich zu jenem Zeitpunkt eintreffen, doch da ihm dies nicht möglich war, verzögert sich die Erlösung bis heute.
Denn wüssten die Söhne, wie nahe die Erlösung war, hätten sie auf jede kleine Tat geachtet, dass sie auch tadellos sei, und dann wären sie auch der Erlösung zu jenem Zeitpunkt würdig gewesen. Allein das Wissen über die bevorstehende Erlösung hätte sie motiviert, alles zu tun, um diesen Zeitpunkt nicht zu versäumen.
G-ttes Weitblick
Deshalb wollte Jakow seinen Söhnen jenen besonderen Zeitpunkt der Erlösung verraten, damit sich seine Söhne darauf vorbereiten könnten. Doch G-tt hinderte ihn daran. Denn Er erwartet von dem Menschen, dass er Ihm aus eigenen Kräften dient und dabei die Beschränkungen dieser Welt berücksichtigt. Nur dies bringt ihn zu seiner menschlichen Reife und macht ihn zu einem wahren G-ttesdiener. Die Offenbarung Jakows hätte diesem Prinzip widersprochen.
Dies wusste zwar Jakow auch, doch er wollte um jeden Preis die Erlösung beschleunigen, um seinem Volk all die zukünftigen Qualen zu ersparen. Doch G-ttes Weitblick ist unergründlich und Er weiß, dass es für das Beste des Menschen ist, wenn er sich die Erlösung (wie auch alle anderen guten Dinge) aus eigener Kraft verdient. Dieses Privileg wollte er dem Volk Israel nicht nehmen und hinderte deshalb Jakow bei seiner Offenbarung über eine bevorstehende Erlösung.
Anhand aller biblischen Zeichen4 wissen wir, dass die Erlösung umgehend auf uns zukommt. Somit lernen wir von Jakows Absicht, wie wichtig es ist, unseren Mitmenschen kundzutun, dass die Erlösung unmittelbar bevorsteht, damit sie sich darauf vorbereiten können!
(Likutej Sichot, Band 20, Seite 228)
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