Unser Wochenabschnitt erzählt, wie Josef in den sieben Jahren des Überflusses in Ägypten die überschüssige Ernte einsammelte und aufbewahrte, um damit in den Jahren des Hungers die Bevölkerung zu ernähren. Über den Vers Den Speisevorrat von den Feldern jeglicher Stadt, die rings um sie, legte er hinein1 erklärt Raschi: „Denn jede Erde bewahrt ihre Früchte vor Fäulnis; man streut in das Getreide von dem Staube des Ortes; das bewahrt das Getreide.“
Die Taten eines Gerechten, wie Josef einer war, bergen in sich große Lehren für das Leben und für den Dienst an G-tt. Bei Josef ist das besonders betont, da das gesamte jüdische Volk nach ihm benannt ist – Wie eine Herde führt G-tt Josef (das jüdische Volk) an.2 An jedem Juden liegt es, in den Wegen Josefs zu gehen und in unserem Kontext heißt das: „Ernte einzusammeln und aufzubewahren, um damit die Hungernden zu ernähren“. Hierbei lernen wir von Josef, dass das Aufbewahren der Ernte nur möglich ist, wenn man darin vom Staube des Ortes, aus der sie genommen wurde, streut.
Fäulnis
Die Nahrung (Ernte) der jüdischen Seele ist die Thora, „denn sie ist unser Leben.“3 Die Thora wird auch deshalb „Nahrung“ genannt, weil sie tief in die Seele eindringt und die Thora gänzlich absorbiert, genau wie die physische Nahrung vom Körper aufgenommen und ein Teil von ihm wird. An dem Juden liegt es, im Laufe seines Lebens „Nahrung einzusammeln“ – so viel wie möglich Thora zu lernen.
Doch er muss darauf achten, dass die Thora in ihm nicht „verfault“. Der Talmud sagt, dass wer das Thorastudium falsch angeht, davon Schaden tragen könnte.4 Wie kann man garantieren, dass die Thora in sich richtig aufbewahrt wird? – Indem man „Staub des Ortes“ dazulegt. „Staub“ symbolisiert Demut, wie es im Gebet heißt: „Meine Seele sei allen gegenüber wie Staub.“5 Durch das Aneignen von Demut und einem Zurückschrauben des eigenen Egos, ist die Thora auf gesunde Weise im Juden aufbewahrt.
In der falschen Demut steckt Hochmut
Josef fügt noch ein wichtiges Detail hinzu, und zwar, dass der „Staub“ (Demut) vom Ort sein muss, von dem die „Ernte“ (Thora) kommt. Die Demut muss vom Thorastudium selbst entspringen und nicht ein anderer Faktor soll sie hervorrufen.
Es kann nämlich sein, dass der Jude zwar Demut verspürt, doch sie entspringt nicht aus der Thora, sondern ist anderer Natur. Und wenn er deshalb aufgefordert wird, die Thora zu verbreiten und sie anderen beizubringen, erfüllt ihn das Gefühl der Demut, als würde er sagen: „Wer bin ich schon, dass ich die Thora unterrichten darf“. Doch im Lehrhaus möchte er für sein hingabevolles Thorastudium gewürdigt werden und fordert gar, dass man ihm dafür Ehre gibt. Nicht auf diese Weise kann die Thora im Juden aufbewahrt werden.
Der Demütige sucht nicht Bequemlichkeit
Die Demut ist dann am richtigen Platz, wenn sie im Dienste der Thora steht und von ihr entspringt. Der Jude muss die Thora als die Weisheit G-ttes anerkennen und so wie G-tt unendlich ist, ist es Seine Weisheit. Egal wie viel Thora der Jude gelernt hat und sei er auch der gelehrteste Rabbiner, muss er doch einsehen, dass dies nicht mehr als einem Tropfen im Meer gleicht. Dadurch füllt sich sein Herz mit großer Demut, da er die Heiligkeit und Unendlichkeit der Thora vor Augen hat.
Und eben diese Demut, welche einzig und allein im Dienste der Thora steht, ist es auch, die den Juden dazu bringt, die Thora mit aller Kraft zu verbreiten, wenn draußen jüdische Seelen verhungern und nach Nahrung suchen. Der Jude muss dabei wie Josef agieren, der die ganze Welt vor dem Hungerstot bewahrte: seinem Nächsten eine solch üppige Portion an Thora-Nahrung geben, welche das Überleben seiner jüdischen Seele ein Leben lang garantiert.
Somit bewahrt die Demut, die aus der Thora selbst entspringt, die Thoralehre in seinem Inneren vor der Fäulnis und führt dazu, dass auch andere Seelen mit der nährenden Thora belebt werden!
(Likutej Sichot, Band 25, Seite 220)
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