Der Talmud1 sagt, dass derjenige, der Abraham bei seinem früheren Namen Abram nennt, eine Sünde begeht, da G-tt selbst ihm gesagt hat, sein Name solle nicht mehr Abram sondern Abraham lauten. Darauf fragt der Talmud, warum es denn erlaubt sei, Jakob beim Namen Jakob zu nennen, nachdem ihm G-tt selbst doch in unserem Wochenabschnitt sagt, sein Name solle nicht mehr Jakob sondern Jisrael lauten? Die Antwort des Talmud: Jakob wird auch später im Chumasch (in der Bibel) noch Jakob genannt, während Abraham nach G-ttes Befehl in der Bibel nur noch als Abraham bezeichnet wird.

Nun müssen wir diese Antwort aber verstehen. Der Talmud hat die Frage nämlich auf den Chumasch abgeschoben, sie jedoch nicht beantwortet. Wir verstehen noch immer nicht, weshalb Jakob auch später noch mit diesem Namen bezeichnet wird, nachdem ihm G-tt einen Anderen gegeben hat.

Daher müssen wir zuerst die Bedeutung dieser zwei Namen verstehen. Raschi erklärt, dass die zwei Namen zwei verschiedene Aspekte der Persönlichkeit Jakobs und seiner Handlungen beleuchten: Der Namen Jakob (von der Wurzel Ekew) symbolisiert List und Betrug. Jakob hatte die Brachot (Segenssprüche), die für seinen Bruder bestimmt waren, durch List erlangt. Jisrael dagegen, symbolisiert Herrschaft und Rechtmässigkeit. Als G-tt nun Jakobs Namen zu Jisrael veränderte, wurde damit zum Ausdruck gebracht, dass die Brachot zwar durch Betrug erhalten wurden, dass Jakob sie aber rechtmässig verdiente.

Der Betrug, den Jakob ausüben musste, um die Segenssprüche zu erhalten, kann moralisch gerechtfertigt werden. Nach den Erklärungen der Kabbala, konnten diese Brachot nur durch Betrug erhalten werden. Um dies zu verstehen, müssen wir uns vergegenwärtigen, dass unsere Welt eine „Welt der Verhüllung“ ist. Die Wahrheit ist nicht offensichtlich. Deshalb muss auch ein Mensch manchmal in seinem Umgang mit dieser Welt seine wahren Absichten verbergen.

Wenn ein jüdischer Mensch mit der Absicht isst, G-tt durch die Kraft der Nahrung zu dienen, sieht er äußerlich genau gleich aus, wie jemand, der nur zu seinem Genuss Nahrung einnimmt. Doch in Wirklichkeit isst er mit der Absicht, die Energie die in dieser Nahrung steckt, für g-ttliche Zwecke zu nutzen.

Genauso ist es mit seinem Beruf und mit allen anderen täglichen Beschäftigungen. Er ist also gewissermassen ein „Betrüger“, denn dem Anschein nach befriedigt er seine eigene Natur, während er in Wirklichkeit damit beschäftigt ist, G-tt zu dienen. Diese Art von „Betrug“ ist jedoch gut und erwünscht. Es ist der einzige Weg, diese materielle Welt zu heiligen.

Auch die Brachot, die Jakob von Esaw stehlen musste, können in diesem Sinn verstanden werden. Dies war der einzige Weg, diese heilige Segenssprüche aus der Hand des Esaw zu retten.

Nun können wir verstehen, weshalb Jakob auch nach G-ttes Befehl, seinen Namen zu ändern, in der Bibel als Jakob bezeichnet wird: Durch den Namen Jisrael wird gezeigt, dass der „Betrug“ den Jakob verwenden musste, um die Brachot zu erhalten, eine Rechtmässigkeit besass, nicht aber, dass Jakob nun mit dieser Art von „Betrug“ gänzlich aufhören müsse.

Jeder Mensch befindet sich manchmal in einer Situation, in der er seine Jüdischkeit nicht offen ausdrücken kann. Aber auch in diesen Situationen wird von ihm verlangt, seiner Jüdischkeit treu zu bleiben und sich nur äusserlich mit den Gegebenheiten abzufinden.