Die Parascha Wajischlach erzählt, wie Jakob eine Botschaft zu Esaw sandte, um diesen zu besänftigen. In dieser Botschaft heißt es (unter anderem): „Im Lawan Garti – mit Lawan habe ich gewohnt, Waechar ad ata – und habe mich bis jetzt dort aufgehalten. Das Wort „Garti“ bedeutet „ich habe gewohnt“.

Bekanntlich haben alle Buchstaben im jüdischen Alef-Bet einen gewissen Zahlenwert. Der Zahlenwert des Wort Garti ist 613. 613 ist jedoch die Zahl aller Gebote der Tora! Deshalb sagt der Midrasch 2.000 jähriger homiletischer Kommentar zum Chumasch als Kommentar zum Wort Garti, dass Jakob damit andeuten wollte, er habe auch im Hause Lawans alle Mizwot der Tora eingehalten.

Wir wollen nun versuchen zu verstehen, weshalb diese Tatsache (die Einhaltung der Gebote durch Jakob) gerade im Wort Garti angedeutet ist, welches ja scheinbar einen ganz anderen Inhalt – wohnen hat.

In der hebräischen Sprache gibt es zwei Ausdrücke für wohnen:

  1. Laschewet – sich zu besetzen und
  2. Lagur – zu wohnen.

Der Unterschied zwischen diesen zwei Worten liegt darin, dass sich zu besetzten bedeutet, fest an einen Platz gebunden zu sein und ihn als Heimatort anzusehen, während wohnen eben nur wohnen bedeutet – kurzfristig, temporär, zeitweilig.

Deshalb wird ein Konvertit Ger genannt. Auch der Ger wohnt nun (in einem geistigen Sinn) zwischen Juden, doch es ist nicht sein Mutterland. Er ist dort nicht aufgewachsen. Damit wird seine große Leistung betont, dass er alles familiäre und vertraute hinter sich gelassen hat, um sich der jüdischen Religion anzuschließen.

Jakob verbrachte zwanzig Jahre im Hause Lawans, gründete dort seine Familie und wurde sehr wohlhabend. Dennoch sah er die Stadt Charan und das Hause Lawans nie als eigentlichen Heimatort. Er war sich stets bewusst, dass er eines Tages nach Israel zu seinem Vater Jizchak zurückkehren würde. Sein ganzes wohnen in Charan war nur ein kurzfristiger Aufenthalt. Diese Idee kommt im Wort „Garti“ zum Ausdruck.

Nun können wir auch den Zusammenhang zwischen dem einfacheren Inhalt des Wortes „Garti“ und dessen Andeutung (Jakob erfüllte alle Gebote der Tora) verstehen: Gerade weil Jakob sich nie völlig bei Lawan Zuhause fühlte, weil er sich stets an sein Vaterhaus erinnerte, war es ihm möglich , auch im Hause Lawans G-tt treu zu bleiben und seine Gebote zu erfüllen.

In einem gewissen Sinn sollte das ganze menschliche Leben in diesem Sinn erlebt werden. Unsere Neschama – die Seele – fühlt sich in dieser materiellen Welt nie ganz Zuhause. Sie weiß, dass sie hier eine Aufgabe zu erfüllen hat, sollte jedoch nie Vergessen, dass der wahre Inhalt des Lebens, das wahre Lebensziel, das Erreichen geistiger Werte und nicht materieller Güter ist.