Das Volk Israel stand nun vor dem Eintritt in das Heilige Land. Zwölf Kundschafter wurden entsendet, um das Land zu begutachten. Doch als sie zurückkehrten, sprachen die meisten von ihnen schlecht über das Land. Sie sagten unter anderem: Wir können nicht gegen das dort ansässige Volk ziehen, denn es ist für Ihn zu stark1. Raschi erklärt, dass sie mit „Ihn“ G-tt meinten. Selbst G-tt könnte es nicht besiegen.

Wie konnten die Kundschafter so etwas behaupten und das ganze Volk damit verängstigen, vor allem nachdem sie doch alle die großen Wunder G-ttes in Ägypten und in der Wüste selbst gesehen hatten?!

Die Nefilim

Wovor genau hatten die Kundschafter wirklich so große Bedenken? Dafür müssen wir die Diskussion zwischen den Kundschaftern näher betrachten.

Am Anfang behaupteten sie: Das Volk im Land ist stark und ihre Städte sind gut befestigt2. Da sprang Kalew, einer der Kundschafter, auf und erwiderte: Wir werden hinaufziehen und es in Besitz nehmen, denn wir können es überwältigen!3 Kalew erzählte über die Wunder G-ttes, welche beweisen sollten, dass alles in Seiner Hand liegt.

Da konterten die anderen Kundschafter: Wir können nicht gegen das dort ansässige Volk ziehen, denn es ist für Ihn zu stark. Die bisherigen Wunder G-ttes sind kein Beweis dafür, dass G-tt auch das Volk im Heiligen Land besiegen kann, behaupteten sie. Um ihre Behauptung zu stärken, erwähnten sie die „Nefilim“, welche sie im Land sahen: Dort sahen wir die die Söhne der Nefilim, die Riesen4.

Wer waren die Söhne der Nefilim, welche den Kundschaftern so große Bedenken machten, dass sogar G-tt sie nicht besiegen könnte? Dazu erklärt Raschi: „Sie entstammten von den Engeln Schamchasai und Asael, welche im Zeitalter Enoschs vom Himmel fielen5.“

Den Kundschaftern war klar, dass Sterbliche gegen G-tt nicht kämpfen könnten, doch in den Nefilim sahen sie eine höhere Kraft, die sich sogar G-tt widersetzen kann. Denn diese engelartigen Wesen, welche einst vom Himmel fielen, überlebten auch die Sintflut. Für die Kundschafter war das Beweis genug, dass G-tt sie nicht besiegen konnte.

Angst zu fallen

Bekanntlich waren die Kundschafter sehr fromme Männer. Ihnen war die Allmacht G-ttes bewusst. Was ist der tiefere Grund dafür, dass sie dennoch nicht ins Heilige Land einziehen wollten?

Dies hängt auch mit den Nefilim zusammen. Die Kundschafter behaupteten: Siehe, es gab zwei hohe Engel, die mit heiligen Absichten auf diese Welt herabstiegen. Sie hatten große Kräfte, doch die Auseinandersetzung mit dieser materiellen Welt schadete sogar ihnen, bis sie von ihrem heiligen Niveau fielen und sogar in Sünde gerieten. Wenn die Engel den Hürden und Verführungen dieser Welt nicht standhalten konnten, wie soll das uns Sterblichen bloß gelingen?! Deshalb ist es besser, in der abgeschiedenen Wüste zu bleiben.

Stärker als die Engel

Die zwei anderen Kundschafter, Kalew und Jehoschua, zeigten ihren Irrtum auf: Da G-tt an uns Gefallen hat, wird Er uns in dieses Land bringen6.

Engel fallen in dieser Welt, doch wir sind höher, als die Engel7, da G-tt an uns Gefallen hat. Er gab uns eine g-ttliche Seele, in derer Kraft es liegt, der materiellen Welt nicht zu verfallen! In der Auseinandersetzung mit ihr, wird die Welt sogar von der g-ttlichen Seele emporgehoben!

Eben darin liegt die Besonderheit des Juden: Er kann selbst gegen die große Welt standhaft sein und sie nicht nur überwinden, sondern sie sogar zum Guten und Heiligen transformieren.

(Likutej Sichot, Band 28, Seite 58)