Der Begriff „Minjan“ hat seinen Ursprung in dem Thoraabschnitt, der von den Kundschaftern für das Heilige Land handelt. Von den zwölf Kundschaftern redeten zehn schlecht über das Land und die Thora nennt diese zehn „(böse) Gemeinde1“. Daraus lernten unsere Meister, dass überall im Judentum, wo man eine „Gemeinde“ für religiöse Rituale braucht, die Rede von zehn Juden ist2.
Dazu stellt sich die grundsätzliche Frage: Weshalb lässt uns die Thora eine so wichtige Sache, wie den Minjan, gerade von den zehn sündhaften Kundschaftern lernen?! Der Minjan dient doch religiösen Akten, die Kundschafter hingegen rebellierten gegen G-tt.
Vom Land verschluckt
Die Lehre der Chassidut erklärt die wahren Hintergründe der Kundschafter bei ihrem Vergehen, welche als Zadikim (sehr fromm) galten3. Ihr Wille in der Wüste zu bleiben entsprang sehr reinen Absichten. Dort konnten sie sich mit dem G-ttesdienst befassen, ohne von weltlichen Angelegenheiten gestört zu werden.
Die g-ttlichen Wolken boten ihnen Schutz, das himmlische Man und der „Brunnen Mirijams“ ernährten sie. Sie befürchteten, dass der Eintritt in das Land Israel und die Notwendigkeit, das Land zu bearbeiten, wie alle anderen weltlichen Angelegenheiten dort, ihrer Bindung zu G-tt im Wege stehen würden. Dies wird auch aus dem Argument der zehn Kundschafter ersichtlich: Das Land verschluckt seine Bewohner4 – Es wird aus uns materialisierte Menschen machen, die in Alltagsproblemen versinken. Deshalb bevorzugten sie ein Leben in der Wüste.
Nun ist verständlich, weshalb die zehn Kundschafter den Ursprung für den Begriff „Minjan“ darstellen. Sie waren allesamt heilige Männer, die G-tt nahe sein wollten (sowie auch jeder religiöse Akt im Minjan diesen Sinn verfolgt). Ihre Sünde war auf einem sehr hohen Niveau. Sie sahen nicht ein, dass der Eintritt in das Land Israel und die damit verbundene Heiligung des Materiellen sogar höher standen, als die tiefste Bindung zu G-tt durch das Gebet und dem Thorastudium.
Furcht und Liebe
Rambam unterteilt die Beweggründe des Menschen, G-tt zu dienen, in drei Kategorien5:
Es gibt den G-ttesdienst aus Furcht. Der Mensch dient G-tt aus Angst vor Strafe. Das ist ein niedriges Niveau und betrifft die Ungebildeten, die noch kein höheres Niveau erreicht haben.
Darüber steht der G-ttesdienst aus Liebe. Der Mensch liebt G-tt und freut sich sodann, den Willen G-ttes zu erfüllen, da er Ihm anhängen will. Auf diesem Niveau waren die zehn Kundschafter. Ihr Herz war voller Liebe zu G-tt. Sie wollten sich an G-tt gänzlich anheften, ohne von den Angelegenheiten dieser Welt gestört zu werden.
Es geht nur um den Willen G-ttes
G-tt aus Liebe zu dienen ist wahrlich eine hohe Stufe, doch es gibt eine noch höhere Stufe: der Dienst an G-tt aus Wahrheit. Der Mensch geht auf dem Weg der Wahrheit, einzig und allein, weil sie die Wahrheit ist. Wer dieses Niveau erreicht hat, denkt überhaupt nicht mehr an sich, seine Schwierigkeiten bei dem Dienst an G-tt, oder seinem Nutzen daraus. Er macht es nicht aus Angst vor Strafe oder um seine Sehnsucht und Liebe zu G-tt zu befriedigen. Er möchte den Willen G-ttes erfüllen, weil dies der Wille G-ttes und dies die Wahrheit ist.
Dies war das Niveau von Jehoschua6 und Kalew, der restlichen zwei Kundschafter. Sie dachten überhaupt nicht an sich, ihre Verbundenheit zu G-tt durch den Aufenthalt in der Wüste und den Schwierigkeiten, welche der Eintritt in das Land Israel mit sich bringen würde, sondern wollten nur den Willen G-ttes erfüllen, nämlich das Land Israel besiedeln – der Dienst aus Wahrheit.
Doch auch das Niveau der anderen zehn Kundschafter war sehr hoch (der Dienst aus Liebe), sodass es angemessen ist, von ihnen den Begriff „Minjan“ zu lernen.
(Likutej Sichot, Band 33, Seite 85)
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