In unserem Wochenabschnitt erfahren wir von der Entsendung der zwölf Boten in das Heilige Land, ihrem fatalen Fehler und seinen tragischen Folgen. Der Talmud erzählt1, dass vor ihrer Entsendung Mose für Joschua betete, damit G-tt ihn aus dem bösen Plan der Boten errette.
Es stellt sich die einfache Frage: Zu Beginn ihrer Mission hatten die Boten nichts Böses im Sinne, wie Raschi kommentiert.2 Andernfalls hätte sie Mose gar nicht geschickt. Warum dann aber war ein besonderes Gebet für Joschua notwendig? Und wenn doch Mose gewisse Zweifel an den Boten hatte, weshalb betete er nicht für alle?
Kein einfaches Vergehen
Die Lehre der Chassidut erklärt3, dass das Vergehen der Boten nicht so oberflächlich war, wie es auf den ersten Blick scheint. Es handelte sich bei ihnen um die zwölf Häupter des jüdischen Volkes, jeder von ihnen Führer seines Stammes, ihrer geistigen Größe wegen dazu bestimmt; in einem Wort: um Zadikim (Gerechte). Ihr besonderer Weg G-tt zu dienen allerdings brachte sie wohl unbewusst zur Sünde.
Der Dienst der Zadikim an G-tt ist in zwei Wege einzuteilen. Die einen gehen daran sich vollkommen der G-ttesnähe zu widmen, durch spirituelle Reinigung und Abschirmung von der materiellen Welt und ihrer Bedürfnisse. Die anderen dienen G-tt, indem sie sich in den Dienst des jüdischen Volkes stellen und sich sogar für dieses aufopfern, jeder in seiner Generation. Der erste Weg aber ist nur wenigen Zadikim eigen. Sie leben zwar in dieser Welt, doch hängen voll und ganz G-tt an, so wie es war bevor ihre Seele auf unsere materielle Welt kam. Rabbi Schimon bar Jochaj4 gehörte zu jenen Zadikim, und er pflegte den Spruch: „Der Mensch pflügt und säet, aber was wird aus der Thora?“5 Und der Talmud hält fest: „Viele taten wie Rabbi Schimon, aber ihnen war jene G-ttesnähe nicht zuteil.“
Völlige Hingabe
Der zweite Pfad ist der Weg des „Hirten der Herde G-ttes“, welcher nicht nach seiner Vollkommenheit trachtet, sondern dem jüdischen Volk und seinen Bedürfnissen im Dienste steht. So einer war unser Lehrer Mose. Selbst für die Frevler in Israel setzte er sich ein, jene, die mit dem Goldenen Kalb sündigten. Der Midrasch erzählt6 sogar, dass Mose mit seiner Generation, die den Auszug aus Ägypten erlebte und der Sünde wegen das Heilige Land nicht betreten durfte, in der Wüste blieb und dort starb, nur damit auch sie Teil an der Totenauferstehung zur endgültigen Erlösung habe!
Die herausragende Eigenschaft so eines Gerechten ist die völlige Hingabe seines ganzen Seins an G-tt und Seinen Willen. Da er weiß, dass G-ttes Wille die Heiligung unserer Welt ist, ist er bereit auf seine persönliche spirituelle Perfektion zu verzichten, um sich voll und ganz dem g-ttlichen Willen in unserer Welt hinzugeben.
Der jüdische Führer
Die Boten gehörten zu den Zadikim, die von unserer Welt abgesondert waren. Deshalb neigten sie dazu in der Wüste zu bleiben, wo das Himmelsbrot sie nährte und die g-ttlichen Wolken für all ihre anderen Bedürfnisse sorgten, sodass sie sich ausschließlich der G-ttesarbeit widmen konnten. Sie konnten den g-ttlichen Willen das Land einzunehmen (die Heiligung des Materiellen) nicht akzeptieren, sodass sie das sogar zu verhindern versuchten. Mose kannte ihren G-ttesdienst, doch ahnte er nicht, dass sie so weit gehen würden. Joschua aber sollte zukünftiger Führer Israels werden, denn er war ein Zadik, welcher zu den „Hirten der Herde G-ttes“ gehörte. Da Mose seine Bestimmung und Einstellung im Dienste G-ttes kannte, betete er nur für ihn, dass er nicht den Weg der anderen Zadikim annehme.
In unserer Generation übernimmt der Lubawitscher Rebbe diese Rolle. Seine von ihm inspirierten Schluchim (Gesandten) sind über die ganze Welt verstreut und widmen ihr Leben der Aufgabe jüdisches Leben zu beleben und zu fördern. Und der Rebbe lehrt, dass dies die Aufgabe von jedem in unserer Generation ist!7
(Likutej Sichot, Band 2, Seite 320)
Diskutieren Sie mit