Ein Gleichnis von Rabbi Israel Baal Schem Tow

Ein König hatte nur einen Sohn, der sein Augapfel war. Er wollte, dass sein Sohn viel lernte und viele Kulturen kennenlernte; darum schickte er ihn mit reichlich Silber und Gold in ein fernes Land. Aber der Sohn vergeudete das ganze Geld, bis er völlig bankrott war. In seiner Verzweiflung beschloss er, zu seinem Vater zurückzukehren. Nach großen Schwierigkeiten stand er endlich am Tor des Schlossgartens.

Doch im Laufe der Zeit hatte er seine Muttersprache vergessen, und die Wachen erkannten ihn nicht. Schließlich begann er verzweifelt zu schreien, und der König erkannte die Stimme seines Sohnes, eilte hinaus, herzte und küsste ihn und brachte ihn in den Palast.

Der König ist G–tt, der Prinz ist das jüdische Volk, das man auch „Kinder G-ttes“ nennt (Deut. 14:1). Der König schickt eine Seele in diese Welt, damit sie der Tora gehorcht und die Mizwot befolgt. Doch die Seele ist weit von der Heimat entfernt und vergisst ihre eigene Sprache – sie kann nur noch zu ihrem Vater im Himmel rufen. Der Ruf ist der Ton des Schofars, ein Schrei aus dem tiefsten Inneren, der Reue über die Vergangenheit und gute Vorsätze für die Zukunft ausdrückt. Dieser Schrei stimmt G–tt gnädig, und er beweist seine unerschütterliche Zuneigung zu seinem Kind und verzeiht ihm.

Ein Gleichnis von Rabbi Levi Jizchak von Berditschew

Ein König verirrte sich einmal im Wald und traf einen Mann, der ihn erkannte und ihn aus dem Wald und zurück in seinen Palast führte. Der König belohnte ihn mit vielen Geschenken und ernannte ihn zu einem mächtigen Minister.

Doch nach einiger Zeit beging der Mann einen Fehler und wurde der Rebellion gegen den König beschuldigt. Man verurteilte ihn zum Tode, aber vor der Hinrichtung wollte der König ihm einen letzten Wunsch erfüllen.

Dar Mann sagte: „Ich möchte die Kleider tragen, die ich anhatte, als ich Eure Majestät aus dem Wald führte, und ich bitte darum, daß Ihr ebenfalls die Gewänder von damals tragt.“

Der König war einverstanden, und beide zogen die Kleider an, die sie bei ihrer ersten Begegnung getragen hatten. Da sagte er König: „Damit hast du dein Leben gerettet“ und begnadigte ihn.

Was bedeutet das? Bevor G-tt Israel die Tora schenkte, bot er sie allen Völkern der Erde an. Aber alle anderen lehnten sie ab, und nur das Volk Israel nahm das himmlische Joch bereitwillig auf sich und hielt die Gebote des Schöpfers ein.

Später haben wir jedoch rebelliert und gegen die Gebote verstoßen, so wie der Mann im Gleichnis. Darum sind wir am Tag des Gerichts voller Furcht. Also blasen wir den Schofar, um an den Ruf des Schofars zu erinnern, der erklang, als wir die Tora annahmen und G–tt krönten. Dieser Verdienst ist uns geblieben, und deshalb vergibt uns G–tt alle Sünden und schreibt uns für ein gutes Jahr und ein gutes Leben ein.