Schlagzeilen über Ehebrecher ... Talkshows, in denen sich Familienmitglieder über intimste Dinge streiten und sogar prügeln ... Zeitschriften mit Terroristen und Mördern auf der Titelseite ... Fernseh- und Radioprogramme voll mit müßigem Geschwätz über “Stars” ...
Wir klagen darüber — und dennoch hören und sehen wir uns dieses “Zeug” an. Ist das ein Zeichen für das nahe Ende aller Tage?
Nein. Es ist nur ein Zeichen dafür, dass sich nichts geändert hat. Wir laden unsere Sünden immer noch gerne auf “Sündenböcken” ab und jagen diese dann in die Wüste. Dieses Verhalten spiegelt lediglich die Sünden wider, die, wie wir wissen, in uns sind. Wir empfinden Lust, aber wir wollen besser sein als jene, die ihre Gelüste ausleben. Wir sind wütend auf Menschen, die uns ärgern, aber wir umgeben uns mit einem Heiligenschein, weil wir uns zusammenreißen.
Das Ritual mit dem Sündenbock geht auf Acharej, den Tora-Abschnitt dieser Woche zurück: Und Aaron soll beide Hände auf den Kopf der lebenden Ziege legen und alle Missetaten und der Kinder Israel beichten samt ihren Übertretungen und auch ihren Sünden, und er soll sie auf den Kopf der Ziege laden und sie an der Hand eines Beauftragten in die Wüste schicken.
Obwohl der Sündenbock die Sünden Israels in symbolischer Weise auf sich lud, war er kein Allheilmittel gegen das Böse. Jeder Jude musste dennoch seine Sünden bekennen und Frieden mit G–tt schließen. Die Ziege sollte nur eine Erinnerung daran sein, dass wir die Last der Vergangenheit abwerfen und jeden Tag nach Heiligkeit streben können.
Auch heute noch würden wir gerne unsere Sünden loswerden, und darum halten wir Ausschau nach “bösen” Menschen, damit wir sagen können: “Seht, ich bin besser als dieser!” Aber es gibt Unterschiede zwischen dem Sündenbock und den Geschichten in den modernen Medien: Erstens befreite der Sündenbock die Men schen nicht von Reue und Buße. Zweitens war der biblische Sündenbock ein Tier und kein Mensch.
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