Der Wochenabschnitt Pinchas enthält eine Passage, die ein einzigartiges Licht auf Mosches Führungsqualitäten wirft. G–tt sagt ihm, dass es für ihn Zeit ist, diese Welt zu verlassen. Mosche bittet daraufhin nicht für sich oder seine Kinder, sondern er bittet: „H-rr, ernenne einen Mann, der diese Versammlung anführt.“ Im Augenblick der Wahrheit denkt er nicht an sich; seine Aufmerksamkeit gilt allein seinem Volk.
Diese fundamentale Eigenschaft zeichnet eine jüdische Führungspersönlichkeit aus. Führerschaft bedeutet im Allgemeinen, sich mit Idealen und Grundsätzen zu identifizieren, die über das eigene Ich hinausgehen. Wenn ein Mensch nur sein Ich verkauft, können sich andere nur schwer mit ihm solidarisieren, denn sie sind ja mit ihrem eigenen Ich beschäftigt. Warum sollten sie sich also dem anderen unterordnen? Gewiss, man kann Menschen zwingen oder bestechen, damit sie eine Autorität anerkennen. Aber in diesem Fall hängt die Autorität vom Stock oder von der Mohrrübe ab. Die Menschen sind innerlich nicht mit dem Oberhaupt verbunden.
Was inspiriert einen Menschen, die Autorität eines anderen anzuerkennen? Ein Ziel, das die Führungspersönlichkeit und ihre Anhänger für größer als ihr Ich halten. Wenn ein Vorbind ein Ideal vertritt, das seinem Leben einen höheren Sinn und eine Richtung gibt, kann er dieses Ideal mit anderen teilen, denn jeder Mensch sucht letztlich mehr im Leben als nur die Erfüllung persönlicher Wünsche. Eine jüdische Persönlichkeit wie Mosche transzendiert sich selbst in noch größerem Umfang. Erstens hat er keine eigenen Ziele, nicht einmal als Hintergedanken. Viele große Männer kümmern sich zwar um höhere Ziele, streben aber auch nach persönlichem Gewinn. Sie verlangen nach Ehre, Reichtum oder anderen Vorteilen. Ein Mosche hat keine solchen Wünsche.
Das Wichtigste ist aber, dass ein weltlicher Führer ein Ziel verfolgt, das mit seinem Ich verwoben ist - was sonst sollte er suchen? Er will zwar die Welt verbessern, aber dabei denkt er nicht nur an andere, sondern auch an sich. Letztlich hat er also das Ziel, sein eigenes Leben zu verbessern, wenn er auch glaubt, das sei erst dann möglich, wenn es den anderen gut geht.
Ein Mosche verfolgt dagegen G–ttes Ziele, nicht menschliche Ziele. Er will die Welt zu einer Wohnung G–ttes machen, nicht nur zu einem angenehmen Ort für die Menschheit. Natürlich wird die Welt, sobald sie eine Wohnung G–ttes ist, auch für uns Menschen ein sehr schöner Platz sein; aber das ist nicht das Ziel. Ein Mosche verfolgt G–ttes Ziel, und weil er sich mit diesem Ziel identifiziert, vergisst er sein Ich voll und ganz und wird zum höchsten Beispiel einer Führungspersönlichkeit.
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