Auf ein ganz interessantes Gebot treffen wir in unserem Wochenabschnitt. Die Rede ist vom „Wegschicken der Vogelmutter“ bevor man sich an ihren Eiern vergreift. Das heißt, die Thora verbietet uns die Brut so wie auch die Vogelmutter zu erbeuten. Wir sollen es bei den gelegten Eiern belassen um einen Fortbestand dieser Tierart zu gewährleisten.

Außer dem Versprechen der Thora für das Erfüllen dieses Gebots – auf dass es dir wohl gehe und du lange lebest – will sie uns auch kund tun: Wenn für ein so einfaches Gebot, das keinen Zeitaufwand und keine Geldkosten mit sich bringt, so große Versprechen gemacht werden, der Verdienst bei vielen anderen Geboten, deren Erfüllung schwieriger fällt umso größer ist.1 Die Thora also lässt uns von dem großen Lohn durch eine so einfache Mitzwa erfahren, damit wir ein Gefühl für den Verdienst schwierigerer Gebote, die Zeit und womöglich Geld kosten, bekommen.

Einfacher geht's nicht!

Alles schön und gut – bis auf die simple Frage: Weshalb wählte die Thora ausgerechnet dieses Gebot, um uns den Verdienst für die Erfüllung der Mitzwot darzustellen? Es gibt viel einfachere Gebote, deren Vollbringung nicht einmal einen körperlichen Akt benötigt, wie z.B. das Lesen des „Schma Israel“!2

Das Gebot vom „Wegschicken der Vogelmutter“ jedoch trägt etwas Einzigartiges in sich. Es gilt tatsächlich als das einfachste Gebot, weil seine Erfüllung überhaupt keine Schwierigkeiten bereitet! Beim Erfüllen dieser Mitzwa ist die Situation des Menschen ohnehin so, dass er sich einzig und allein mit der Brut beschäftigt, an der er ja interessiert ist. Und was von ihm erwartet wird, ist nur nebenbei die Vogelmutter wegzuschicken. Und schon allein dafür macht G-tt Seine großen Versprechungen!

Mitzwot-Business

Bei anderen Geboten, wie dem Schma Israel, könnte ihre Erfüllung nicht immer problemlos ablaufen. Führen wir ein klassisches Beispiel an: Der Mensch ist so sehr mit anderem beschäftigt, dass für ihn jede Ablenkung wie ein gezücktes Schwert an seinem Nacken wäre. Und nun verlangt man von ihm alles beiseite zu schieben um das Schma Israel konzentriert zu sprechen. Es erfordert viel jüdische Disziplin in einer solchen Lage dieses Gebot zu vollbringen.

Wenn nun die Thora diese Mitzwa gewählt hätte, um uns den großen Verdienst für die Erfüllung der Mitzwot kund zu tun, könnten wir glauben, dass dieser doch nur wegen der dabei – wenn auch nur manchmal – auftretenden Schwierigkeiten zusteht. Deshalb eben fiel die Wahl der Thora ausgerechnet auf das Gebot des „Wegschickens der Vogelmutter“. Eine in jedem Bereich einfache Mitzwa – problemlos, kostenlos, mühelos. Und schon für so eine Mitzwa wird uns ein wohlhabendes und langes Leben versprochen, umso mehr dann bei anderen Geboten!

Aus eins wird ...

Nach dem Gebot über das „Wegschicken der Vogelmutter“ heißt es in der Thora: Wenn du ein neues Haus baust, so mache deinem Dach einen Zaun, und dann erfahren wir von den Geboten bezüglich Wein- und Feldernte, Gewänder usw. Raschi nimmt Bezug auf diese Reihenfolge und kommentiert: „Wenn du das Gebot des „Wegschickens der Vogelmutter“ erfüllst, wirst du auch ein neues Haus bauen und das Gebot der Umzäunung deines Daches erfüllen. Denn eine Mitzwa bringt eine weitere mit sich. Und du wirst Besitzer prächtiger Felder werden und teure Gewänder tragen“.3

Wir sehen also, dass die Erfüllung eines einfachen Gebots nicht nur die allerbesten Resultate hat (sogar im materiellen Bereich), sondern in dieser Mitzwa auch die Kraft steckt weitere Gebote mit sich zu bringen.

Esoterisch betrachtet führt das Erfüllen eines Gebots zum Erwachen der jüdischen Seele. Jedes weitere Gebot stärkt ihren Drang ihrem Schöpfer näher zu kommen. So erreicht der Mensch schließlich – wenn auch zu Beginn nur mit dem Erfüllen der einfachsten Gebote – die Vollbringung aller Mitzwot und verdient sich damit ein gesundes und erfolgreiches Jahr – sein bestes Jahr mit dem Kommen des Maschiach sofort in unseren Tagen!

(Likutej Sichot, Band 9, Seite 133)