Die dieswöchige Parascha bezieht sich auf das Leben unseres Stammvaters Abraham. Sie beginnt mit der Anweisung G-ttes an Abraham, im Alter von 75 Jahren nach Kanaan zu ziehen.

Doch wieso wird die Parascha gerade mit dieser Anweisung eröffnet? Abraham hat zu diesem Zeitpunkt bereits großes geleistet und sehr vieles erreicht. So berichtet uns zum Beispiel der Midrasch, daß Abraham G-tt bereits im Alter von gerade erst drei Jahren erkannt hat - und dies in einer Zeit, in der alle Formen von Götzendienst auf der Tagesordnung standen. Seit diesem Zeitpunkt hat Abraham vielen Menschen die Kenntnis G-ttes als den einzig wahren Schöpfer nahe gebracht. Deswegen wurde Abraham von seinen Zeitgenossen sogar ins Gefängnis geworfen und zum Tode verurteilt, letztlich aber von G-ttes Hand gerettet. Abraham sowie seine Frau Sara haben in ihrer Heimat eine große Anzahl an Menschen beeinflußt, die schließlich ihrem Beispiel gefolgt sind.

All dies geschah jedoch bevor Abraham von G-tt angewiesen wurde nach Kanaan zu gehen. Bis dahin erwähnt die Tora von den Leistungen Abrahams so gut wie nichts. So lesen wir am Ende der vorherigen Parascha (Noach) in ein paar wenigen Sätzen von der Geburt Abrahams, seiner Hochzeit, sowie dem Aufbruch der Sippe aus Ur Kasdim.

Weswegen aber sind die Details aus Abrahams bisherigem Leben unerwähnt geblieben? Die Chassidische Lehre erklärt diesen Umstand anhand des Unterschiedes zwischen Abrahams Leben vor und nach 'Lech Lecha'. Alles was Abraham bisher tat basierte auf seinem eigenen Verstand bzw. Intellekt. Er fand selber heraus, daß die Welt ohne einen Schöpfer nicht existieren kann - nur dies ergab für ihn einen Sinn. Deswegen glaubte er an G-tt und deswegen brachte er diese Erkenntnis anderen Menschen nahe. Er war sich dessen bewußt, daß der Glaube an einen G-tt der einzig richtige ist. Und er war deswegen auch bereit dazu, für diese Überzeugung sogar sein Leben zu riskieren.

Jetzt aber - in Paraschat Lech Lecha - erscheint ihm G-tt und weist ihn an etwas zu tun, was scheinbar keinen Sinn ergibt. Abraham wird angewiesen seine Heimat zu verlassen und in die Fremde an einen für ihn unbekannten Ort zu ziehen - ohne jegliche Erklärung!

Die Geschichte unseres Volkes beginnt nicht einfach mit Abrahams eigenen Entdeckungen oder etwa mit einer Reise nach Kanaan, sondern mit: "Und G-tt sprach zu Abram; gehe hinaus aus deinem Heimatland, deinem Geburtsort sowie deines Vaters Haus, in das Land, welches Ich Dir zeigen werde" [Bereschit 12, 1].

Hierin steckt eine grundsätzliche Lehre für uns: Judentum basiert nicht auf dem menschlichen Verstand, bzw. auf dem was wir verstehen und fühlen, sondern vielmehr auf unsere Fähigkeit dazu genau das zu tun, was G-tt uns aufgibt - selbst wenn es für uns vollkommen unverständlich ist.

Deswegen stellt die Tora eben nicht auf das ab, was Abraham in der Vergangenheit dem eigenen Verstand folgend erreicht hat. Die Tora stellt vielmehr Abrahams höheren, über den menschlichen Intellekt hinausgehenden Dienst an G-tt ins Rampenlicht.

(Basierend auf Likute Sichot, Band 24.)