Sollen wir Menschen klonen? Gibt es Leben, das es nicht verdient zu leben? Wann dürfen wir Krieg führen? Ist Terrorismus immer falsch? Sind Homo-Ehen zulässig? Darf man Abtreibung legalisieren? Die Liste der ethischen Probleme im 21. Jahrhundert ist endlos. Die entscheidende Frage lautet: Wie und unter welchem Blickwinkel lösen wir solche Dilemmas? Diese Frage beschäftigte schon die ersten Philosophen.
In der westlichen Philosophie gibt es drei Meinungen über den Ursprung der Ethik. Eine Auffassung behauptet, die Ethik gehe auf G-tt zurück und was G-tt fordere, sei immer gut und ethisch. Die Gegner dieser Einstellung erklären, sie habe die absurde Folge, dass G-tt theoretisch den Ehebruch für moralisch erlaubt erklären könne. Bestreite man, dass er das könne, gebe man zu, dass ethische Normen über G-tt stünden.
Die Theorie der Formen von Platon nimmt eine unabhängige „Form“ außerhalb G-ttes an, einen absoluten Standard der Moral und der Ethik. Allerdings wurde dieser absolute Standard unserer materiellen Welt nie offenbart, so dass wir nie sicher sein können, dass wir ihn einhalten, und immer noch vor der alten Frage stehen: Was ist ethisch?
Der dritten Meinung zufolge ist jedes Wissen relativ, und es gibt keine absolute Moral. Die Ethik hängt von Umständen, Menschen und Kulturen ab. Auch das ist fragwürdig, weil es dann, streng genommen, gar keine Ethik gibt.
Die Tora enthält einen rätselhaften Vers, der sich unmittelbar auf diesen Streit zu beziehen scheint. G-tt sagt zu Mosche: „Sprich zu den versammelten Kindern Israels und sage ihnen: ‚Ihr sollt heilig sein, denn ich, der Herr, euer G-tt, bin heilig.‘“ Das Gebot „Ihr sollt heilig sein“ löste unter den Kommentatoren eine Debatte aus. Manche sagen, es bedeute, dass wir besonders achtsam sein müssen, wenn es um Sexualmoral geht. Andere meinen, auf ihre Deutung des Talmuds gestützt, G-tt verlange Selbstdisziplin selbst dann, wenn die Tora etwas nicht verbiete. Demnach würde das Gebot bedeuten, dass wir immer mäßig und diszipliniert sein sollen, was materielle Vergnügungen anbelangt. Interessant ist, dass Aristoteles das Gleiche über die richtige Ethik sagte.
„Ihr sollt heilig sein, denn ich, der Herr, euer G-tt, bin heilig“ scheint ein recht vages Argument für ethisches Verhalten zu sein; aber es sagt klar und deutlich, woher die Ethik kommt. G-tt schuf den Menschen „nach seinem Bilde“. Die Kabbalisten deuten diese Vers so: G-tt besitzt „Attribute“ (Middot oder Sefirot). Es gibt zehn g-ttliche Attribute, drei intellektuelle und sieben emotionale. Allerdings sind die g-ttlichen Attribute vollkommen, und es besteht ein unendlich großer Unterschied zwischen ihnen und den Attributen der Menschen. Wenn die Tora sagt, G-tt sei ethisch (heilig), und deshalb sollten auch wir ethisch sein, meint sie damit, dass G-tt die Quelle der Ethik ist. Die vollkommene Form, der absolute Standard für die perfekte Moral, befindet sich also nicht außerhalb von G-tt, wie Platon meinte, sondern stammt von G-tt selbst. G-tt offenbart, dass die ethischen Gebote der Tora mehr sind als relative moralische Gebote oder eine intellektuelle Analyse der menschlichen Natur, die begründete Schlussfolgerungen darüber erlauben, was ethisch oder unethisch ist. Die ethischen Gebote in der Tora sind vielmehr eine g-ttliche Offenbarung der vollkommenen, g-ttlichen Form, an der menschliches Verhalten sich messen muss.
Wenn wir wissen wollen, was ethisch oder unethisch ist, wenn wir die enormen ethischen Dilemmas des 21. Jahrhunderts lösen wollen, dann finden wir die Antwort allein bei der Quelle der Ethik, bei der vollkommenen Form, wie die Tora sie offenbart.
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