"Dinah," rief Mutter Levin ihrer Tochter aus der Küche zu, "kannst du bitte das Gästezimmer aufräumen, in dem Tante Chaja's Kinder schliefen? Schifi wird dir dabei helfen, sobald sie mit ihren Hausaufgaben fertig ist."
Dinah's und Schifi's Cousinen verbrachten gerade eine Woche bei den Levins. "Es hat sehr viel Spaß mit ihnen gemacht, aber Tante Chaja's Kinder sind ja so etwas von unordentlich," dachte sich Dinah auf dem Weg ins Gästezimmer.
Schifi war gerade am Esstisch über ihre Bücher gebeugt. Als Dinah an ihr vorbeikam, sagte Schifi zu ihr: "Bevor du anfängst, sag mir bitte, wie schlimm das Gästezimmer aussieht. Ich habe meine Freundin Esther um vier Uhr eingeladen und möchte gerne bis dahin das Zimmer mit dir aufgeräumt haben."
Einen Augenblick später stand Dinah wieder neben ihrer Schwester. "Oh Schifi!" beklagte sie sich, "jedes einzelne Spielzeug haben sie aus dem Schrank geholt, die Bücher liegen auf dem ganzen Boden verteilt herum und es sieht aus, als ob es Lego-Bausteine geregnet hätte. Wir werden damit nie bis um vier Uhr fertig."
Schifi schaute Dinah an und lachte: "Dinah, du klingst schon so wie die Meraglim (Kundschafter) aus dieser Parascha."
"Die Meraglim? Ich bin doch kein Spion. Und man muss wirklich kein Spion sein, um festzustellen, was für eine Unordnung im Gästezimmer herrscht."
"Nein, so meinte ich das nicht. Du hast nur etwas getan, was die Meraglim auch getan haben. Moses schickte sie doch aus, um das Land Israel zu erkunden und ihm Antworten auf gewisse Fragen zu liefern, wie zum Beispiel: Sind die Städte befestigt? Gibt es ausreichend Wasserreserven? Die Kundschafter brachten ihm auch Antworten auf seine Fragen, aber sie fügten ihren Antworten eine zusätzliche, nicht erbetene Information bei."
"Was für eine Information?" fragte Dinah.
"Du erinnerst dich doch sicher an die Geschichte, Dinah. Also, lass es uns gemeinsam herausfinden, dann wirst du schon sehen, warum du mich an die Meraglim erinnert hast. Ich habe dich doch darum gebeten, das Gästezimmer in Augenschein zu nehmen, richtig?"
"Und ich habe dir auch ganz genau geschildert, wie das Zimmer aussieht. Glaube mir Schifi, ich habe kein bisschen übertrieben!" sagte Dinah beharrlich.
"Aber du hast dem etwas hinzugefügt, wonach ich dich nicht gefragt habe."
Dinah dachte kurz nach. "Ja, ich sagte, dass es so unordentlich sei, dass wir bestimmt nicht bis um vier Uhr damit fertig werden. Jetzt verstehe ich. Dies erinnerte dich an die Meraglim, weil sie behaupteten, dass 'man das Land nicht erobern könne, es sei eine zu schwere Aufgabe', richtig?"
"Absolut richtig," erwiderte Schifi, "siehst du, Moses bat die Meraglim nur um Informationen zu Fakten. Er fragte keineswegs nach ihrer Meinung. Er fragte sie nicht danach, ob sie dachten, dass das jüdische Volk das Land erobern könne oder nicht. Er wusste nämlich, dass das Volk hierzu im Stande war, da schließlich G-tt seine Hilfe bei der Einnahme des Landes versprach."
"Alles, worüber die Meraglim berichteten entsprach auch der Wahrheit: Die Städte waren befestigt und deren Bewohner stark. Das jüdische Volk hätte diese Informationen dazu nutzen können, ihren Einmarsch genau zu planen. Die Meraglim wurden aber nicht darum gebeten, dem ihre eigenen Ansichten hinzuzufügen. Sie sollten sich keine Gedanken darüber machen, ob das jüdische Volk letztlich auch erfolgreich sein würde. G-tt hat schließlich versprochen, dass sie erfolgreich sein würden," erklärte Schifi, "als ich dich also darum bat, mir zu sagen, wie es in dem Zimmer aussieht, wollte ich damit nur eine ungefähre Vorstellung davon bekommen, wie viel Zeit das Aufräumen in Anspruch nehmen würde. Und ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass du mir sagen würdest, wir würden damit nie rechtzeitig fertig. Du wusstest doch, dass ich dir dabei gleich helfen werde. Also, fang schon einmal an das Chaos zu 'erobern'."
(Übersetzt aus "Please Tell Me What the Rebbe Said, Vol. I", basierend auf Likutei Sichot, Band 23, Paraschat Schlach)
Diskutieren Sie mit