Die meisten Kinder schaukeln gerne. Es ist eine Herausforderung, aus dem Stand zu starten und allmählich schneller zu werden. Nach und nach schwingt die Schaukel immer höher. Wenn wir ein Kind beim Schaukeln beobachten, machen wir eine interessante Feststellung: Wer hoch hinaus will, muss zuerst kräftig nach unten schwingen. Am niedrigsten Punkt sind der Schwung und die Energie am größten, und von dort aus erreicht die Schaukel ihren höchsten Punkt.

Es ist eine Ironie des Lebens, dass wir erst einen Tiefpunkt erreichen müssen, ehe wir uns zum Gipfel hinaufschwingen können. Es scheint fast ein Naturgesetz zu sein, dass dem Berg ein Tal, der positiven Situation eine negative vorausgehen muss. In der Tora wird dieses Prinzip deutlich an der Ereigniskette, die im neuen Wochenabschnitt beginnt.

Josef wird von seinen Brüdern als Sklave nach Ägypten verkauft und steigt dort hoch empor. Dreizehn Jahre lang litt er unter Knechtschaft, Gefangenschaft und Spott; doch eines Tages war er Vizekönig. Dank dieser hohen Stellung konnte er seine Familie und andere vor dem Hungertod retten.1

Dieses Muster ist der Schlüssel zur Idee „Exil und Erlösung“. Das g-ttliche Versprechen der Erlösung setzt einen erhöhten Seins- und Bewusstseinszustand der ganzen Menschheit voraus. Um den zu erreichen, müssen wir jedoch zuerst „nach unten schwingen“: ins bittere, dunkle Exil.

Unser Problem ist, dass manchmal ein Unglück geschieht. Wenn die Schaukel sich am tiefsten Punkt befindet, kann beispielsweise ein Fuß irgendwo stecken bleiben, so dass wir hinabfallen. Mit anderen Worten: Das Exil kann plötzlich so schwierig werden, dass viele die Hoffnung verlieren. Nach dem Holocaust herrschte überall Verzweiflung, was die Zukunft des Judentums betraf, besonders seine traditionelle Form. Aber dann geschah ein Wunder, denn trotz dieser Angst haben die jüdische Gelehrsamkeit und das traditionelle Leben eine wundervolle Wiedergeburt erlebt. In Israel und anderswo haben jüdisches Wissen und jüdische Religion einen glücklichen Aufschwung erlebt.

Auch im Leben eines Individuums oder einer Gemeinde sind erschütternde Ereignisse möglich, die uns umwerfen können. Aber dann gewöhnen wir uns langsam an die neue Situation und machen einen Schritt nach vorne. Wichtig ist, dass wir uns gut an der Schaukel festhalten, wenn sie ihren Tiefpunkt erreicht, und dass wir G-tt vertrauen. Dann schwingen wir uns bald hinauf in die Höhe.

Das bevorstehende Fest Chanukka drückt dieses Muster ebenfalls aus. Das jüdische Volk war an einem Tiefpunkt angelangt, denn es hatte die griechische Kultur und ihren Götzendienst weitgehend übernommen. Zunächst waren reiche Juden freiwillig dazu bereit; später zwang die Regierung ihre Ideen allen auf. Der heilige Tempel wurde entweiht, jüdisches Studium und jüdische Religion wurden verboten.

Das war der tiefste Punkt der Schaukel. Dann versammelten sich wie durch ein Wunder die Makkabäer, besiegten die syrisch-griechischen Truppen und stellten die Reinheit des Tempels wieder her. Als sie die goldene Menora anzündeten, besaßen sie nur Öl für einen Tag – aber es brannte acht Tage und kündigte eine allgemeine Rückkehr zum Judentum an. Jetzt schwang die Schaukel wieder nach oben.

Halten Sie sich also gut fest, egal, was geschieht!