Die Tora, die wir in unserer Synagoge meist benutzen, ist schön. (Ja, ich weiß, dass alle handgeschriebenen Tora-Rollen gleich heilig sind und denselben Inhalt haben. Mir geht es hier um das ästhetische Äußere.) Sie besteht aus hochwertigem Pergament, hat eine bequeme Größe zum Hochheben und hat silbernes Zubehör. Sie ist ein ungewöhnlich stattliches Exemplar, das Kunstwerk eines Sofer (Schreibers), genauer gesagt, mehrerer Soferim (Plural).
Sie ist eindeutig das Werk von zwei Schreibern. So wie jeder seine eigene Handschrift hat, schreibt jeder Sofer die heiligen Buchstaben auf seine Art. Genau in der Mitte der Rolle ändert sich der Stil plötzlich. Dieser Stilwechsel kann störend sein, und ich erinnere mich gut an die erstaunte Bemerkung eines Gastes: „He, die Schrift ändert sich ja!“
Jede Tora, die jemals geschrieben wurde, zeigt in der Parascha dieser Woche einen solchen Wechsel. Der Buchstabe Alef im Vers „Und G-tt rief Mosche“ ist winzig. Er ist viel kleiner als ein normales Alef. Das löst jedes Jahr bei den Zuhörern Kommentare und Fragen aus.
Die traditionelle chassidische Erklärung für den Wechsel lautet: Der kleine Buchstabe erinnert an Mosches einzigartige Bescheidenheit. Obwohl nur er direkt mit G-tt gesprochen hatte, obwohl er die Ägypter besiegte und die Juden befreite, ja sogar nachdem er den Teil der Tora schreiben durfte, der seinen Namen trägt, blieb er „der bescheidenste Mensch, der je auf Erden lebte“ (Numeri 12:3). Der Vers spielt den Umstand, dass G-tt ihn rief, bewusst herunter.
Interessant ist, dass dem kleinen Alef unserer Parascha ein weiterer Wechsel der Schriftart an anderer Stelle der Bibel gegenübersteht. Der Name Adam – er war der erste Mensch, von G-ttes Hand geschaffen – wird einmal mit einem übergroßen Alef geschrieben, um auf seine Größe und somit auf die Größe aller Menschen und der ganzen Schöpfung hinzuweisen.
Existieren heißt, einen Zweck haben. G-tt schuf nichts ohne Grund. Wenn Ihre Geburt G-ttes Art und Weise ist, Ihnen zu sagen, dass Sie wichtig sind, dann müssen Sie immer an Ihre Verantwortung denken und sich des großen Alef würdig erweisen.
Die Anerkennung des eigenen Wertes darf jedoch nie zu Überheblichkeit führen. Mosche, der weiseste Mensch, der je gelebt hat, war zugleich der bescheidenste. Sein kleines Alef bedeutet: Er wusste, dass seine Fähigkeiten ein Geschenk G-ttes waren. Darum fragte er sich immer wieder: „Habe ich mein Potenzial voll genutzt?“
Diese doppelte Bedeutung der beiden Alefs – die ermutigende Anerkennung der eigenen Leistungen, gedämpft durch die Einsicht, große Verantwortung zu haben – macht uns demütig und treibt uns an, in der Religion und im Leben Großes zu leisten und dadurch die eigene Existenz zu rechtfertigen.
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