Lieber Leser,
in der dieswöchigen Sidra schildert die Tora, wie das Volk der Israeliten, sieben Wochen nach seinem Auszuge aus Ägypten, das bedeutsamste Ereignis in seiner gesamten Geschichte erlebte – die Entgegennahme der Tora am Berge Sinai.
Die ersten Gebote, die ihnen vom Berge entgegenschallten, gaben den erhabensten Ideen der Einheit G-ttes Ausdruck: "Ich bin der Ewige, dein G-tt. Du sollst keine anderen Götter neben Mir haben". Es ist nicht allzu schwierig, zu begreifen, warum diese sublimierten Gedanken von G-tt selbst, in all Seiner Herrlichkeit, Seinem Volke dargeboten wurden.
Die späteren Gebote jedoch – "Du sollst nicht morden, du sollst nicht stehlen" usw. – sind eigentlich für jede normale menschliche Gesellschaftsordnung so grundlegend, dass sie seit frühesten Zeiten in den meisten Staatsgesetzen oder Verfassungen vorzufinden sind. War es daher wirklich nötig, diese am Sinai selbst aufzustellen (oder zu wiederholen), mit all der ehrfurchtgebietenden Majestät G-ttlicher Offenbarung? Wären sie nicht auch ohnedies alsbald als Grundsätze der sozialen Struktur des jüdischen Volkes festgelegt worden?
Dazu denn ist zu sagen, dass diese Offenbarung durch G-tt einen sehr triftigen Grund hatte und einen ebenso wichtigen Zweck verfolgte: Wir müssen derlei "selbstverständliche" Vorschriften wie "nicht zu töten" oder "nicht zu stehlen" gerade deshalb befolgen, weil sie uns von G-tt geboten worden sind. Jedermann muss sich vor dem Morden hüten, und zwar nicht allein deshalb, weil das Blutvergießen eine durch und durch asoziale Tat ist und in krassestem Widerspruch zu jedem menschlichen Verhalten steht, sondern weil G-tt es so befohlen hat.
Schabbat Schalom
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