Das Judentum basiert auf der G-ttlichen Offenbarung am Berge Sinai, als die Tora den Israeliten gegeben wurde. Das historische Ereignis am Berge Sinai bezeugt die G-ttliche Herkunft und das G-ttliche Wesen der Tora. Die Tora wiederum dient als ausschließlicher Beurteilungsmaßstab für alle nachfolgenden Argumente und Lehren.
Authentische jüdische Mystik ist einerseits ein wesentlicher Bestandteil der ToraAuthentische jüdische Mystik ist einerseits ein wesentlicher Bestandteil der Tora. Andererseits bestimmt die Tora, was authentische jüdische Mystik ist.
Der allgemeine Ausdruck für jüdische Mystik ist "Kabbala" und bedeutet "Tradition". Kabbala entstand nicht aus persönlichen Erkenntnissen. Kabbala ist keine Sammlung von Berichten verschiedener Weiser und Heiliger über den Sinn des Lebens oder die ultimativen moralischen Werte bezüglich ihrer persönlichen Erlebnisse und Visionen. Kabbala ist kein System, das aus einem ideologischen Vakuum heraus entstanden ist.
Kabbala und ihre Lehren sind integraler Teil der Tora – gleichbedeutend der Halacha (Jüdisches Gesetz), deren historische Wurzeln bis zur Offenbarung am Berge Sinai zurückreichen. Kabbala und Halacha sind wesentliche Bestandteile der Tora, die "Moses von Sinai erhalten und Joshua weitervermittelt hat..."
In den Werken der Kabbala finden sich Beschreibungen von mystischen Erlebnissen oder übernatürlichen Visionen, die wir assoziativ mit dem Begriff "Mystik" in Verbindung bringen. Zwar gibt es sie, - doch nur als sehr nebensächliches Thema der Kabbala. Sie werden bestenfalls als potentielle, das Leben des Mystikers begleitende Auswirkungen bezeichnet. Der authentische Mystiker wird jedoch niemals die Natur zu manipulieren versuchen, um dem Eingreifen in die vom Schöpfer so bestimmte Weltordnung aus dem Wege zu gehen.
Der wahre Mystiker begehrt Wissen und Verständnis. Er will den G-tt seiner Väter kennen, um nach dem Gebot zu leben: "Du sollst an diesem Tag wissen und es in deinem Herzen bedenken dass G-tt, Er ist G-tt im Himmel oben sowie auf der Erde unten – es gibt nichts anderes." Das Bestreben des wahren Mystikers besteht darin, diesen Grundsatz als lebende Wirklichkeit und nicht nur als intellektuelle Bejahung der Wahrheit zu verstehen. Er versucht, innerhalb der Grenzen seiner Fähigkeiten, die wortgetreue Allgegenwart G-ttes zutiefst zu fühlen und sie mit durchdringendem Wissen und Verständnis wahrhaftig in sich aufleben zu lassen.
Kabbala ist Theologie im vollständigsten Sinne des Wortes, die sich auch mit der Lehre des Seins, des Kosmoses und der Entstehung des Kosmoses befasst. Sie ist weder eine auf menschlicher Erkenntnis beruhende spekulative Philosophie, noch irgendeine sich auf menschliche Rationalität stützende Theorie. Sie ist die Lehre der G-ttlichkeit und der Beziehung zwischen G-tt und Seiner Schöpfung, die auf dem Fundament der offenbarten Wahrheit basiert.
Kabbala ist Theologie im vollständigsten Sinne des Wortes, die sich auch mit der Lehre des Seins, des Kosmoses und der Entstehung des Kosmoses befasstKabbala führt den Menschen jenseits des normalen Verständnisses der Rationalität, dringt hinter die esoterische Dimension der Tora und übersteigt ihre direkte Botschaft. Sie enthüllt viele der unendlichen Schichten der Geheimnisse des Lebens, der Schöpfung, der Seele und der himmlischen Sphären. Sie dringt unter die Gewänder und den Körper der Tora. Sie ist der wahre Kern und die Seele der Tora, die endgültige Offenbarung der G-ttlichkeit. Sie legt verborgene Bedeutungen, Auswirkungen, den Zweck der Tora und der Mizwot dar. Die der Kabbala entspringende Erleuchtung entfacht das Feuer der Seele und lässt es mit der neuen Erkenntnis einer tiefgründigeren und erhabeneren Wirklichkeit aufglühen. Daher ist das Studieren der Kabbala an sich bereits ein mystisches Erlebnis.
All das beinhaltet die Kabbala, doch überschreitet sie niemals den Rahmen der Tora. So wie ein Körper ohne Seele nicht funktionieren kann, ist eine Seele ohne Körper ineffektiv. Die Seele der Tora (Nistar, der esoterische Teil der Tora – die Kabbala) kann nicht vom Körper der Tora (Nigle, die esoterischen Teile der Tora – die Halacha d.h. die Gebote und praktischen Anleitungen der Tora) getrennt werden. Die zu spirituellem oder philosophischem Symbolismus reduzierte Kabbala, - getrennt von jeglicher Beachtung der Gebote - ist eine leere Schale ohne Wert.
Das ist der erste und hauptsächliche Unterschied zwischen jüdischer Mystik und anderen Formen sogenannter Mystiken. Daher kann die jüdische Mystik niemals zu einem Kult werden: Wer sein Leben nicht genau nach den Anleitungen der Tora richtet, dem werden sich die Geheimnisse der Kabbala nicht offenbaren.
Viele große Mystiker und Philosophen außerhalb des Judentums waren ehrliche die Wahrheit suchende Weise. Sie versuchten weder irgendwelche vorgefasste Ideen zu rechtfertigen noch ihr Ego aufzublasen. Viele von ihnen entdeckten und entwickelten ausgesprochen tiefgründige Theorien, deren Erkenntnisse die menschliche Vorstellungskraft sehr bewegten. Einige von ihnen bekamen sogar Einblick in die definitive Wirklichkeit. Doch trotz all der Vielseitigkeit ihrer Gedanken befanden sie sich in einem ideologischen Vakuum. Sie konnten sich nur soweit bewegen, wie es der beschränkte, fehlbare menschliche Intellekt ihnen ermöglichte. Daher sind ihre Erkenntnisse entweder offensichtliche Tatsachen, die menschlich überprüfbar sind oder spekulativ-mögliche, jedoch nicht gesicherte Annahmen.
Die Tora ist ein vollständiges System, in dem alle Teile zusammenhängend miteinander verflochten und voneinander abhängig sindKabbala andererseits basiert auf der offenbarten Wahrheit der Tora. Die Gültigkeit ihrer Theorien und subjektiven Eindrücke wird durch präzise Beurteilungsmaßstäbe der Tora überprüft, die sehr genaue Anweisungen angibt, um das Erwähnenswerte einer Idee zu beurteilen. Wie in der Halacha, so gibt es auch in der Kabbala objektive Kriterien zur Entscheidung dieser Frage.
Schlussfolgerung (S. 108-110)
Wir sehen: Kabbala und Chassidut (Kabbala "übersetzt" für jene, die sich weniger damit befasst haben), bilden einen absolut legitimen Teil des authentischen Judentums.
Die Tora ist ein vollständiges System, in dem alle Teile zusammenhängend miteinander verflochten und voneinander abhängig sind. So ist die Tora auch ein System, das parallel und in ständigem Zusammenspiel steht, mit dem Universum im Allgemeinen und mit dem menschlichen Organismus im Besonderen. Daher kann keines ihrer Teile von den anderen isoliert betrachtet werden.
Sowie es von großer Wichtigkeit ist, dem Studium und dem Praktizieren des "Körpers" der Tora – die Halacha – nachzugehen, so ist es auch obligatorisch, sich dem Studium der "Seele" der Tora – der Kabbala - und ihrem Verständnis zu widmen.
Selbstverständlich besitzen wir nur begrenzte Fähigkeiten zum Tora-Lernen. Niemand kann je die gesamte Tora in sich aufnehmen! Daher sollten wir nicht warten, bis wir uns mit allen halachischen Werke befasst haben, um danach erst mit dem esoterischen Teil der Tora zu beginnen. Das gegenwärtig festzustellende, vermehrte Interesse für die Lehre der Kabbala ist ein Anzeichen dafür, wie sehr es die Welt nach tiefgründigem Verständnis des Sinnes des Lebens dürstet. Dank dem Beitrag des Baal Schem Tov (Chassidut-Begründer) steht sogar den nicht gelehrten Kabbalisten die Möglichkeit offen, die Lehren der verborgenen Tora zu verstehen. Chassidut ist die Übersetzung der Kabbala in einer Lehre, mit der selbst der nur wenig interessierte und gebildete Jude etwas anzufangen weiß.
Der Baal Schem Tov fragte Moschiach, wann er wohl kommen wird. Und Moschiach antwortete: "Wenn deine Quellen sich verbreiten werden." - wenn sich also die Menschheit vermehrt mit den Lehren der Chassidut beschäftigen wird. So ist es heute mehr denn je erwünscht, dass wir uns alle Zeit für das Studium dieser Lehren nehmen.
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