Der Kreis markiert die Grenze zwischen einem bestimmten Bereich innen und dem quantitativ unbestimmbaren Bereich außen; zwischen dem Messbaren und Unendlichen, zwischen bekannt und unbekannt. Tatsächlich ist der Kreis selbst ein Mysterium, seine Größe wird nur durch das rätselhafte Pi dargestellt, welches überhaupt keine Nummer ist, sondern eine Folge von Nummern, die sich in unermessliche Unendlichkeit ausdehnt.
In den Lehren der Kabbala repräsentiert der Kreis das allumfassende Licht, das unsere Realität umrahmt. Die Kabbala unterscheidet zwischen zwei Arten g-ttlichen Lichts: ein durchdringendes inneres Licht (or pnimi) und ein transzendentes, allumfassendes Licht (or makif).
Das innere Licht beschreibt einen Fluss g-ttlicher Energie, das die Parameter unseres Lebens behagt. Die Vorgänge in der Natur z.B. oder der geschichtliche Prozess sind tatsächlich g-ttliche Einflüsse auf unser Dasein; allerdings sind dies g-ttliche Einflüsse, die eine Art und Weise übernommen haben, die wir begreifen, mit der wir uns identifizieren und die wir verinnerlichen können. Die Tora, welche die g-ttliche Weisheit ist und die für den menschlichen Verstand greifbar und von menschlichem Benehmen praktisch anwendbar wird, ist ein weiteres Beispiel (obgleich erhabener) für inneres Licht.
Aber dann gibt es noch die übernatürlichen, übersinnlichen Verkörperungen g-ttlichen Lichts. Wir nennen diese Wunder, existenzielle Mysterien und den Verstand übersteigende Erfahrungen. Wir können diese weder verstehen noch verarbeiten, nur akzeptieren und uns vor ihnen verbeugen. Das bedeutet nicht, dass das allumfassende Licht etwas ist, das außerhalb unseres Seins existiert. In den Worten des Tanja „penetriert es unsere Realität von Kopf bis Fuß, zu seinem Inneren und zur Innenseite des Innen-Seins“ – es ist grundlegend für unser Sein wie das innere Licht. Auch wenn es unser Sein durchdringt, so bleibt es dennoch unnahbar und fern von uns, während es uns umklammert und sich jedem unserer Versuche, es zu verstehen und zu definieren, entzieht.
Die Seele des Menschen, welche in G-ttes Ebenbild erschaffen wurde, strahlt ebenfalls beide, das innere und das allumfassende Licht ab. Es manifestiert sich selbst über endliche und bestimmte Faktoren, wie dessen Sinne, Talente, Intellekt und Gefühle. Dennoch besitzt sie „allumfassende“ Kräfte wie den Willen, Verlangen, Glaube und die Fähigkeit der Selbstaufopferung. Dies sind die übersinnlichen und übernatürlichen Kräfte, die den Beschränkungen der Physik, des Verstandes und sogar den Grundsätzen des Eigennutzes und Selbstverhaltung trotzen.
Drei Kreise
Die Ehe ist das übersinnlichste und übernatürlichste Unterfangen, das sich ein Mensch vornehmen kann. Dass zwei Individuen „ein Fleisch” werden, verstößt gegen alle Gesetze des Egos und der Identität; das Bewältigen der existenziellen Regel, dass eins und eins zwei ergibt. Daher eifern wir G-tt in der Ehe nach, Leben schaffend und das zeitlich begrenzte verewigend (durch Reproduktion, Mann und Frau schaffen nicht nur ein Kind, sondern auch dessen Potenzial, selbst Kinder zu bekommen und deren Kinder ebenfalls bis zur Unendlichkeit). Wenn zwei eins werden, so überwinden sie das Endliche und das Sterbliche, die eine unendliche und g-ttliche menschliche Fähigkeit freisetzend.
Daher bedingt die Ehe die Aktivierung der allumfassenden Kräfte aller Beteiligten. Es gibt drei Partner innerhalb der Ehe – den Mann, die Frau und G-tt – und jede steuert die überexistenzielle Dimension seiner Existenz bei.
Eine Ehe besteht folglich aus drei Kreisen: dem weiblichen Kreis, dem maskulinen Kreis und dem g-ttlichen Kreis. Die Hochzeitszeremonie beginnt mit der Umkreisung des Bräutigams durch die Braut. Sieben Mal geht sie um ihren zukünftigen Ehemann, ihn einhüllend in das allumfassende Licht ihrer Seele, sich selbst einem Bund hingebend, der das Ego und den Verstand überwindet. Der Bräutigam tut hierauf dasselbe, indem er ihren Finger mit einem Ring umfasst, wobei er sie als seine Frau weiht. All dies findet unter der Chuppa (Heiratsbaldachin) statt, der die Umfassung des Paares durch das allumfassende Licht G-ttes darstellt und sie stärkt, dadurch die Einschränkungen des Selbstseins zu überwinden und sich in das ewige Bauwerk der Ehe zu begeben.
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