Der Segen, den wir angesichts der einleitenden Worte der dieswöchigen Sidra Reeh wählen können, hängt von der Einhaltung der Gebote ab (Deut. 11, 26-27); und wie wir schon früher mehrfach ausgeführt haben, findet die Einhaltung der Gebote ganz vorzüglich in der Mizwa von Tefillin ihren Ausdruck. Es ist deshalb angebracht, dass heute einige weitere Betrachtungen dieser Vorschrift von Tefillin gewidmet seien.
"Die Juden sind G-ttes Tefillin" lautet ein Ausspruch des Baal Schem Tov, des Begründers des Chassidismus, und ferner sagte er: "Wie unsere eigenen Tefillin, so bestehen auch G-ttes aus zwei verschiedenen, nämlich Tefillin für den Kopf und Tefillin für die Hand. G-ttes Kopf-Tefillin sind gleichsam die Toragelehrten, die Führerpersönlichkeiten. G-ttes Hand-Tefillin sind die "Durchschnittsjuden" – Menschen, die sich nicht so sehr durch Gelehrsamkeit wie durch Aufrichtigkeit und Glauben auszeichnen; sie sind nicht "Haupt"-Juden, sondern "herzliche" Juden, und sie tun die Mizwot und andere gute Taten mit tiefem Gefühl und mit innerer Wärme."
Und der Baal Schem Tov beschloss seine Bemerkungen zu diesem Thema so: "Wir legen zweierlei Tefillin an, für die Hand und für den Kopf, und über jede von beiden sagen wir einen eigenen Segensspruch. Welche jedoch legen wir zuerst an? Zuerst kommen die Hand-Tefillin und danach erst diejenigen für den Kopf. Genauso steht es mit G-ttes Tefillin: Alle Juden sowohl die ‚Haupt’-Juden wie die ‚Hand’-Juden, sind G-tt teuer; diejenigen jedoch, die die Mizwot ausführen und Gutes tun aus reinem Glauben, mit tiefem Gefühl und in absoluter Aufrichtigkeit – diese werden von G-tt ganz besonders geliebt."
In der Tat sagen unsere Weisen (Talmud, Brachot 6a), dass G-tt gleichsam auch "Tefillin legt". "Was steht auf G-ttes Tefillin geschrieben?", fragen sie (a.a.O.); und sie selbst geben die Antwort: "Auf G-ttes Tefillin steht: ‚Wer ist gleich Deinem Volke Israel, einmaliges Volk auf Erden!’ (II. Samuel 7, 23)."
Dies entspricht genau demjenigen, was auf unseren eigenen Tefillin steht, nämlich: "Höre, Israel, der Ewige, unser G-tt, der Ewige ist Einer" – also dass G-tt Einzig und Einmalig ist, und nichts Ihm vergleichbar. So denn steht auf G-ttes Tefillin, völlig analog, dass Israel das eine Volk auf der Erde ist, mit dem sich kein anderes messen kann, was Heiligung und Hingabe an G-tt betrifft.
Nachdem also, nach dieser Erklärung der Weisen, der Inhalt von G-ttes Tefillin sich allein auf Israel und die Vortrefflichkeit des jüdischen Volkes konzentriert, folgt daraus ganz zwingend, dass der Ausspruch des Baal Schem Tov richtig ist: Die Juden sind G-ttes Tefillin.
Es war in eben diesem Sinne, dass der ehrwürdige Rabbi Levi Jizchak von Berditschew einmal mit G-tt plädierte: "Herr der Welt! Es ist schon höchste Zeit, dass Du mindestens so passend handelst wie ein gewöhnlicher Mensch! Sollten – G-tt behüte – die Tefillin eines gewöhnlichen Menschen einmal auf den Boden fallen, dann hebt er sie auf, küsst sie und unternimmt daraufhin alle erforderlichen Schritte, um diesen Unfall in Ordnung zu bringen und dafür zu sühnen, dass er die Tefillin hat fallen lassen. Deine Tefillin aber, das jüdische Volk, sind gefallen und liegen darnieder im bitteren Galut (Exil) – wann hebst Du sie auf und bringst sie Dir näher und erlöst sie aus diesem Galut?"
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