Haman stand vor Achaschwerosch, dem mächtigen Herrscher über die 127 Provinzen des persischen Reiches, und unterbreitete dem König eine Reihe von "Gründen", weshalb er vorschlug, das jüdische Volk müsse vernichtet werden. "Da gibt es ein Volk," so sprach er, "welches verbreitet und verstreut unter den Völkern lebt ... Ihre Gesetze sind verschieden von denjenigen jedes anderen Volkes, und die Gesetze des Königs führen sie nicht aus. Deswegen" so schloss Haman, "lohnt es sich für den König nicht, sie existieren zu lassen" (Esther 3, 8-9). Der König stimmte ihm bei und erließ das verhängnisvolle Dekret zur Vernichtung Israels.

Später, als Esther den König anflehte, das Dekret rückgängig zu machen, da ließ sie sich – so müssen wir feststellen – gar nicht darauf ein, Hamans "Gründe" zu widerlegen. Sie erbat sich nur: "Möge doch mein Leben mir durch diese meine Bitte gewährt werden und mein Volk durch mein Ersuchen. Denn wir sind verkauft worden, ich und mein Volk, um erschlagen zu werden und unterzugehen" (Esther 7, 3-4). Diese Worte machten einen so tiefen Eindruck auf Achaschwerosch, dass sein Zorn sofort entbrannte und er wütend ausrief (ibid., Vers 5): "Wer ist dieser, und wo ist er, der sich untersteht, so etwas zu tun?!"

Wie ist dieser plötzliche Umschwung in der Haltung des Königs zu verstehen? Nur ganz kurz vorher stimmte er mit Haman darin überein, dass es sich nicht "lohne", die Juden leben zu lassen. Zudem widersprach Esther keiner von Hamans Behauptungen. Sie bestritt nicht, dass – so Haman – die Juden "verbreitet und verstreut unter den Völkern leben". Sie focht seine Behauptung nicht an, dass "ihre Gesetze verschieden sind von denjenigen jedes anderen Volkes"; und sie leugnete auch nicht ab, dass die Juden die Gesetze des Königs nicht ausführten (wo immer diese gegen die Vorschriften der Tora verstießen). Das einzige, das sie zum Ausdruck brachte, war, dass die Juden ihr Volk waren (eine Tatsache, die dem König vordem nicht bekannt war).

Doch in diesen einfachen Worten "mein Volk" liegt der Schlüssel für die außerordentliche Wirksamkeit ihrer Antwort. Was sie damit meinte, war dieses:

"Du, o König, hast all die schönsten Frauen aus den 127 Provinzen deines Reiches kommen lassen, um aus ihnen eine Königin auszuwählen. Noch ein zweites Mal versammeltest du die gefälligsten Jungfrauen deines riesigen Reiches. Und wer allein aus diesem gewaltigen Aufgebot fand Gunst in deinen Augen? – Eine Tochter des jüdischen Volkes. Und noch mehr: Diese jüdische Tochter gefiel dir nicht deshalb, weil sie persischem Gesetz und Brauchtum folgte; im Gegenteil, sie verhielt sich – selbst in ihren eigenen Palaste – wie eine wahre Tochter ihres Volkes. Sie handelte genau so wie Haman es beschrieben hat".

Esthers Gedankengang ging ganz logisch weiter: "Haman sagt: 'Ihre Gesetze sind verschieden.' Das ist absolut wahr. 'Deine Königin isst nicht deine Speisen, und sie trinkt nicht deinen Wein. Dir ist bekannt, dass sie sieben Mägde zu ihrer Bedienung angestellt hat, eine für jeden Tag der Woche. Und warum? Damit sie nie vergesse, welchen Tag sie als den heiligen Schabbat zu begehen hat. Haman sagt: 'Die Gesetze des Königs führen sie nicht aus'. Auch das stimmt. Ich beuge mich nicht vor deinen Götzen, noch bin ich bereit, mich in irgendeiner Weise unanständig zu benehmen. Somit ist Hamans Schilderung der Lebensführung meines Volkes in jeder Hinsicht richtig. Aber seine Schlussfolgerung – nämlich, dass es sich für den König nicht "lohnt", sie leben zu lassen –, diese Schlussfolgerung ist ganz und gar falsch und boshaft. Indem du mich als Königin gewählt hast, damit hast du selbst Hamans Argument zurückgewiesen; du hast damit gezeigt, dass sich die Existenz meines Volkes ganz gewiss "lohnt". Unser unterschiedliches Verhalten, unsere nicht zu besiegende Treue unserem Glauben gegenüber: diese sind es, die unsere Einzigartigkeit und unseren Wert beweisen."

In dieser Treue zu G-tt, Seiner Tora und ihren Vorschriften liegt das Geheimnis für den Fortbestand unseres Volkes begründet; und dies ist auch der einzige Weg für uns, um die Achtung der Umwelt und ihrer führenden Persönlichkeiten zu bewahren.