Von den spezifisch zu Purim gehörenden Vorschriften sind zwei leichter zu erfüllen und weniger an Bedingungen und Vorbereitungen gebunden als die übrigen. Diese zwei "leichteren" Vorschriften sind Mischloach Manot (das Senden von Nahrungsmitteln an Freunde oder Bekannte) und Mattanot La'ewjonim (wohltätige Spenden für Arme). Die Fähigkeit, diese zu erfüllen, ist für jeden "nahe bei der Hand" und unterliegt keinen Beschränkungen, und zwar schon deshalb, weil sie noch mehr als die anderen Gesetze das wesentliche Thema von Purim repräsentieren und vor Augen führen.

In den Tagen des Königs Nebuchadnezzar von Babylon – der eine Generation vor den Purim-Ereignissen lebte – hatten viele Juden vor Götzenbildern niedergekniet, und zwar auf den Befehl des Königs. Obwohl sie dieses aus Angst getan hatten, war es trotzdem eine große Sünde (Megilla 12a; siehe auch Manot Halevi zu Esther von R. S. Alkabets), denn Götzendienst bedeutet eine Ableugnung des Einzigen G-ttes.

Das alle Juden einigende Prinzip ist der Glaube an den Einzigen G-tt. Daher ist das Endergebnis von Götzendienst, dass die Bande des jüdischen Volkes geschwächt werden. Nach dem Götzenkult zur Zeit von Nebuchadnezzar entstanden Spaltungen und Zwietracht. Deshalb konnte Haman später die Juden anklagen, "ein Volk, das zerstreut und geteilt ist ...", zu sein (Esther 3, 8); er deutete damit an, dass Israel, welches "ein" Volk – nämlich geeint – sein sollte, statt dessen innerlich gespalten war und in Zwietracht lebte.

Mischloach Manot und Mattanot La'ewjonim sind die Antwort auf Haman. Sie sind unsere "Wiedergutmachung" für die Uneinigkeit des ersten Purims. Sie drücken Zusammengehörigkeit, Einheit und die brüderliche Liebe jedes einzelnen Juden zum anderen aus (Manot HaLevi, ibid.). Das gilt besonders von Mattanot La'ewjonim. Mischloach Manot – ein Geschenk – ist das Schicken von Esswaren an den Freund, mit dem man sich auf jeden Fall nahe verbunden fühlt. Aber das Geben von Almosen bedeutet, dass man einem Ewjon hilft. Ein Ewjon wird als "einer, der sich nach allen Dingen sehnt", definiert (Wajikra Rabba 34, 6; Midrasch Mischle 22; Raschi zu Deut. 15, 4; siehe auch Maimonides, Ende der Hilchot Megilla), das heißt: einer, der gar nichts besitzt, weder körperliche noch geistige Güter – jemand, der überhaupt mittellos ist. Jedoch, selbst als Niedrigster der Niedrigen ist er noch ein Jude; und am Purim drücken wir durch unsere Hilfe an ihn die Einheit und gegenseitige Abhängigkeit aller Glieder unseres Volkes aus.

Leider ist es unserem Jezer Hara (Bösen Trieb) gelungen, diese beiden Mizwot zu unterdrücken. Trotz ihrer Wichtigkeit zu Purim und obwohl es leicht ist, sie zu befolgen, sind sie eigentümlicherweise die am meisten vernachlässigten Vorschriften! Dies ist besonders bei Kindern und Jugendlichen der Fall. In Wirklichkeit sollten auch Kindder unter Barmizwa – oder Batmizwa-Alter (Knaben unter 13 und Mädchen unter 12) ermutigt werden, diese Mizwot zu erfüllen – als ein wesentlicher Bestandteil ihrer jüdischen Erziehung. Selbstverständlich sind alle nach Barmizwa – und Batmizwa-Alter verpflichtet, sie zu erfüllen.

Es ist die Pflicht aller, die Einfluss auf unsere Jugend haben, Knaben und Mädchen anzuhalten, die Gebote von Mischloach Manot und Mattanot La'ewjonim auszuführen. Lehrer und Erzieher können darauf hinweisen, wie leicht dieses ist. Es bedarf nur eines Stückchen Kuchen und einer Flasche Limonade, die Pflicht von Mischloach Manot zu erfüllen. Man benötigt nur zwei Groschen für zwei Arme, und die Mizwa von Mattanot La'ewjonim ist ausgeführt. Sie sind so leicht – und sie sind die Mizwot, die das wesentliche Leitmotiv von Purim betreffen: die Einheit unseres Volkes.