Der große Rabbi Mosche Sofer (der Chasam Sofer) saß mit seinen Schülern zusammen, als sie vom Parness (Oberhaupt) der jüdischen Gemeinde unterbrochen wurden. Er hatte den Rabbi nicht stören wollen, aber als der Chasam Sofer das verstörte Gesicht des Mannes sah, bat er ihn in ein Nebenzimmer.
„Was ist geschehen?“, fragte er.
Der Mann seufzte. „Ich bin in großen Schwierigkeiten. Ich habe mein ganzes Vermögen verloren, und es gibt keine Hoffnung, weil meine Schulden zu groß sind und ich Schuldscheine unterschrieben habe. Ich befinde mich am Rande des Ruins. Morgen, wenn bekannt wird, dass ich nicht zur Leipziger Messe fahre, kommen meine Gläubiger, und das wird mein Ende sein.“
„Wie viel Geld brauchst du für die Messe?“, fragte der Chasam Sofer.
„Ach, der Betrag, den ich normalerweise mitnehme, ist nicht der Rede wert. Jetzt wäre ich froh über Reisegeld und etwas Bargeld.“ Er nannte einen Betrag.
„Das ist kein Problem. Ich glaube, ich habe genau diesen Betrag hier.“ Der Chasam Sofer öffnete eine Schreibtischschublade und holte das Geld heraus.
„Rabbi, dass kann ich nicht annehmen. Ich wollte Euren Rat, keinen Kredit. Wenn ich Euer Geld annehme, kann ich nicht garantieren, dass ich es zurückzahlen kann!“
Der Chasam Sofer lächelte. „Keine Sorge, mit G–ttes Hilfe wirst du es mir zurückgeben. Ich wünsche dir viel Erfolg.“ Dankbar und mit neuer Hoffnung nahm der Parness das Geld und ging. Er nahm den Frühzug nach Leipzig, und als er ausstieg, traf er einen Freund, einen Großhändler und Importeur. Der bot ihm eine Schiffsladung Kaffee an. Der Preis war gut; also schloss der Parness den Vertrag und bezahlte. Noch ehe der Tag endete, sprach sich auf der Messe herum, dass schlechtes Wetter die Ernte in Brasilien teilweise vernichtet hatte und der Kaffeepreis stieg. Der Parness verkaufte den Kaffee mit großem Gewinn. Am nächsten Tag kaufte er eine Menge Handelswaren. Und so machte er an jedem Messetag weiter, bis er schließlich nicht nur all seine Verluste wettgemacht hatte, sondern reicher denn je war. Darum beschloss er, etwas Besonderes für den Chasam Sofer zu kaufen. Da er wusste, dass der Rabbi sich gut mit Schmuck auskannte, kaufte er für ihn ein wertvolles Stück. Zu Hause angekommen, besuchte er sofort den Rabbi und überbrachte ihm die guten Nachrichten. „Euer Segen erfüllte sich mehr, als ich zu träumen wagte. Darum möchte ich Euch nicht nur Euer Geld zurückzahlen, sondern Euch etwas schenken.“
Der Rabbi nahm die Schatulle und öffnete sie. „Es ist schön und sehr wertvoll“, sagte er und drehte das Schmuckstück hin und her. Dann gab er es dem Parness zurück.“
„Aber Rebbe, es gehört Euch!“
„Nein. Wenn du es mir zu einer anderen Zeit gegeben hättest, dann hätte ich es vielleicht angenommen, weil es meiner Jeschiwa einige Zeit helfen würde. Da ich dir aber Geld geborgt habe, kann ich nichts annehmen, was auch nur den Anschein eines Zinses erweckt.“
Der Parness ging, und einige Schüler, die zugehört hatten, fragten ihren Rabbi: „Wenn Ihr das Geschenk nicht annehmen wolltet, warum habt Ihr es dann so erfreut und genau betrachtet?“
„Dazu werde ich euch eine Geschichte erzählen. Einmal verreiste ich mit meinem Rebbe, Rabbi Nosson Adler von Frankfurt. Das Wetter war schlecht, und nach kurzer Zeit wurden die Pferde störrisch. Der Kutscher stieg ab, um zu helfen, und wir versuchten zu lesen, um die Kälte zu vergessen. Nach einer Weile kam der Kutscher zurück, und wir fuhren weiter. Plötzlich sprang der Rebbe aus der Kutsche und begann im Schnee zu tanzen. Ich war verblüfft.
‚Siehst du nicht, Mosche, dass der Kutscher Ochsen neben Pferde gespannt hat?’
Ich stieg aus und erklärte dem Kutscher, es sei verboten, sich von gemischten Spezies ziehen zu lassen (Kilaim ist verboten, weil die Tiere unterschiedlich stark sind, so dass einige sich überanstrengen). Ich bot ihm mehr Geld an, damit er die Ochsen durch Pferde ersetzte. Als er fort war, bat ich meinen Lehrer, mir sein seltsames Verhalten zu erklären. Er sagte: ‚Lieber Mosche, wann habe ich in Frankfurt die Chance, die seltene Mizwa Kilajim zu befolgen? Ist es kein Grund zu jubeln, wenn sie mir einmal im Leben begegnet?’
Deshalb war ich so froh darüber, dass ich die Mizwa Ribbis (keinen Zins von Mitjuden annehmen) befolgen durfte. Wer bittet schon einen Rabbi um ein Darlehen? Als mir diese Mizwa begegnete, konnte ich meine Freude und Aufregung nicht verbergen!“
ב"ה
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