Die folgende Sicha stammt aus den Ergänzungen von Bd. II, S. 649, ab Waw.

XVIII. Der Rebbe, mein Schwiegervater, sagte, dass Schemini Azeret und Simchat Tora dasselbe bewirken wie Rosch haSchana, außer dass dies an Rosch haSchana in einem Zustand der Bitternis des Herzens und an Schemini Azeret und Simchat Tora in einem Zustand der Freude getan wird.1

Das Blasen des Schofar ist die besondere Mizwa für den Tag Rosch haSchana.2 Der Rambam sagt, dass das Schofar auf die Aufforderung anspielt: „Wacht auf, wacht auf, ihr Schläfer, aus eurem Schlaf, und die ihr schlummert, erwacht aus eurem Schlummer ... !“3

Diese Anspielung bezieht sich nicht nur auf die Schlafenden im einfachen geistigen Sinne. Sie bezieht sich auch auf die höchste Stufe des Schlafes. „Wenn der Mensch schläft, steigt die Seele auf und schöpft das Leben für ihn von Oben“4, was eine sehr hohe Ebene ist. Gerade dann, wenn die Seele vom Körper aufsteigt, d. h., während des Schlafes, ist sie in der Lage, geistiges Leben zu schöpfen. Während des Schlafes, wenn die Seele aufsteigt, wird sie also wieder neu belebt.

Die Aufforderung „Wacht auf, ihr Schläfer, aus eurem Schlaf“ bezieht sich auch auf diese höhere Ebene. Denn sie stellt nicht die eigentliche Absicht dar. Der ultimative Zweck ist die Einhaltung von Tora und Mizwot, speziell hier auf Erden.

XIX. Dieser Gedanke entspricht dem Kommentar unserer Weisen zu dem Vers „Und Aaron tat also“5 : „Dies wird gesagt, um das Lob Aarons zu beschreiben, dass er nichts verändert hat.“6 Die Kommentatoren stellen die Frage: Worin besteht das besondere Lob und die Leistung Aarons, dass er nichts von dem verändert hat, was ihm befohlen wurde?

Aaron kannte die tieferen oder mystischen Bedeutungen, die mit dem Anzünden der Lampen der Menora verbunden waren. Die sieben Lampen bedeuten die sieben Eigenschaften des jüdischen Volkes: Es gibt diejenigen, die die Eigenschaft von Chessed haben, andere die Eigenschaft von Gewura und so weiter.7 Indem Aaron die Lampen der Menora anzündete, entzündete er die Seelen Israels, „die Seele des Menschen ist eine Lampe des Ewigen.“8 Aaron erhob sie, um in ihnen die Liebe zu G-tt zu wecken, bis zu dem Punkt, dass „die Flamme von selbst aufstieg.“9

Die Tatsache, dass Aaron all diese tieferen Bedeutungen kannte und sich voll und ganz auf sie konzentrierte, ließ jedoch die Möglichkeit aufkommen, dass das tatsächliche Anzünden der physischen Lampen nicht ganz in der vorgeschriebenen Reihenfolge erfolgte. Nichtsdestotrotz verlief alles korrekt. Aaron zündete die Menora an, wartete, bis die Flamme von selbst aufstieg, und stieg dann von den Stufen herab, genau in der vorgeschriebenen Reihenfolge.

Aus diesem Grund wird Aaron dafür gelobt, dass er nichts verändert hat. Obwohl er mit den erhabensten Ebenen zu tun hatte, tat Aaron auf der physischen Ebene alles korrekt, genau wie von G-tt befohlen.

Das ist auch die Bedeutung der Ermahnung „Wacht auf, ihr Schläfer, aus eurem Schlaf, und die ihr schlummert, erwacht aus eurem Schlummer.“ Es gibt verschiedene Stufen des Schlafes – Schlaf und Schlummer – und das gilt auch für die erhabenen Stufen. Der Aufruf „Wacht auf ... erwacht“ ist an alle gerichtet, auch wenn dies nicht das eigentliche Ziel ist, wie der Rambam schreibt – „(Lasset euch ermahnen, ihr, die ihr die Wahrheit in den Nichtigkeiten der Zeit vergesst, und eure Lebensjahre verbringt in Eitelkeit und Leere,) was nicht hilft und nicht rettet.“ Der Aufruf lautet: „Gedenkt eures Schöpfers“, um in Übereinstimmung mit dem G-ttlichen Gebot zu handeln, d. h. die tatsächliche Ausführung der Mizwa.

XX. In diesem Zusammenhang sollte der Hohepriester in der Nacht von Jom Kippur beaufsichtigt werden, um sicherzustellen, dass er nicht einschläft.10 Der Schlaf dient in der Tat dem Zweck, dass die Seele aufsteigt, um Leben von Oben zu schöpfen. So kann auch ein geeigneter Hohepriester einschlafen. Dennoch wurde er daran gehindert, weil dies nicht dem letztendlichen Vorhaben (von Jom Kippur) entspricht.

Schemini Azeret und Simchat Tora bewirken dasselbe wie Rosch haSchana, nur dass sie in einem Zustand der Freude begangen werden. Die Ermahnung „Wacht auf, ihr Schläfer ...“ gilt daher auch für Simchat Tora, selbst wenn es um den Schlaf auf seiner höchsten Stufe geht. Das Gebot des Tages ist Simcha, ganz einfach, sich zu freuen und glücklich zu sein: „Freut euch und jubelt an Simchat Tora!“11

XXI. Alle Aspekte von Rosch haSchana und Jom Kippur vereinen sich an Schemini Azeret und alles wird von ihnen durchdrungen.12 An diesem Tag erfolgt dies in einer Haltung der Freude.

An Rosch haSchana gibt es den Aspekt von Tardema (Schlummer; Tiefschlaf).13 Am Vorabend von Rosch haSchana und in der darauf folgenden Nacht steigen die Welten auf. Danach bewirken die Gebete von Rosch haSchana und das Blasen des Schofar die „Krönung“14 und die Hamschacha, das Herabziehen von Oben. Der Höhepunkt dieser Erweckung und ihrer Durchdringung findet an Schemini Azeret statt.

So wie dies im allgemeinen Sinne, in Bezug auf die Tage des Jahres, geschieht, so geschieht es auch spezifisch in Bezug auf die Tage der Woche: Es gibt einen Aufstieg der Welten an jedem Vorabend des Schabbat und der darauffolgenden Nacht, was der Aspekt von Tardema ist, und am Tag von Schabbat erfolgt die Hamschacha.15

So war es auch bei der Erschaffung Adams am sechsten Tag der Schöpfung: „Er ließ einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen“16 und dann gab es Nessira,17 gefolgt von der Vereinigung, und die Hamschacha fand am heiligen Schabbat statt.

Der Rebbe Raschab erzählte,18 dass der Alte Rebbe am Freitagabend einschlief, weil dies die Zeit des „Schlafes“ ist. Dies bezieht sich höchstwahrscheinlich auf das Konzept des „Aufstiegs der Welten“ am Vorabend des Schabbat.

XXII. So wie es einen Aspekt von Tardema in Bezug auf die Wochentage und die Tage des Jahres gibt, so gibt es ihn auch im allgemeinen Kontext der „6.000 Jahre der Existenz der Welt“:19 Mit dem Abschluss dieser 6.000 Jahre, dem übergreifenden „Freitagabend“, gibt es einen Aufstieg und einen „Aufbruch“, die die „Geburtswehen des Maschiach“ mit all ihren harten Dekreten bewirken,20 möge der Barmherzige uns verschonen, und dann erfolgt die Hamschacha der messianischen Erlösung.

All dies bezieht sich auf uns wie folgt:

An diesem heutigen Tag haben wir all diese drei Aspekte: Es ist jetzt Freitagabend, der Beginn von Schabbat; es ist Schemini Azeret-Simchat Tora; und wir befinden uns am Ende der „6.000 Jahre“, die dem Kommen des Maschiach vorausgehen. Dies ist also der Zeitpunkt, an dem nach der Reihenfolge die Hamschachot (Plural von Hamschacha, das Herabziehen) beginnen, so dass wir unmittelbar von Schemini Azeret-Simchat Tora zur wahren und endgültigen Erlösung übergehen, die buchstäblich sehr bald geschehen wird – nicht im Sinne des Himmlischen „schnell“21, sondern in unserem eigenen Sinne von „schnell“, auf einer Ebene „unter zehn Tefachim22, schnell in unseren eigenen Tagen, Amen.

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten an Simchat Tora 5717)