II. Die Traurigkeit, die mit der Zeit von Bejn haMezarim1 verbunden ist, gilt nicht am Schabbat. Der Schabbat erfordert Freude.2 Außerdem muss an diesem Schabbat [innerhalb dieser Zeitspanne] noch größere Freude herrschen als an allen anderen, um jeden Verdacht auszuschließen, dass der Mangel an Freude durch die Zeit von Bejn haMezarim verursacht wird.

Die tiefere Bedeutung ergibt sich aus dem Konzept, dass Schabbat einen Aspekt der messianischen Ära bedeutet, die als „ganz und gar Schabbat“ bezeichnet wird.3 Die messianische Ära ist eine Erlösung ohne jede Spur von Galut. Daher soll es am Schabbat keinen Aspekt von Bejn haMezarim geben.

Das erklärt aber nur, warum es am Schabbat nichts geben soll, was der Freude entgegensteht. Aber warum sollte an diesem besonderen Schabbat mehr Freude herrschen als an allen anderen?

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Erlösung aus der Galut einen Zustand herbeiführen wird, der über den Zustand vor der Galut hinausgeht. Denn wenn die Dinge nur so sein sollen, wie sie ursprünglich waren, hätte die Galut überhaupt keinen Sinn mehr. Dies entspricht dem Grundsatz „Abreißen um des Wiederaufbaus willen“4 : Das neue Gebäude ist besser und größer als das ursprüngliche, bevor es zerstört wurde.

Dies gilt für jede Erlösung. So brachten auch jene Erlösungen, auf die selbst eine weitere Galut folgte, wie z.B. die Erlösung aus Ägypten, einen Zustand hervor, der größer war als derjenige vor der Galut. Dies geschah aufgrund der „Funken, die durch diese Galut ausgesiebt und erhöht wurden“ – was der eigentliche Zweck von Galut ist.5

Dieses Konzept bezieht sich in noch stärkerem Maße auf die zukünftige Erlösung, die wahrhaftig vollständig und endgültig sein wird, ohne dass ihr irgendeine andere Galut folgen wird.6 Sie wird ein neues Licht in die Welt bringen, etwas völlig Neues, völlig frei von jedem Aspekt von Galut. Dieses neue Licht hat es noch nie gegeben, wie aus der Tatsache hervorgeht, dass es vor der endgültigen Erlösung einen Zustand der Galut gegeben hat. Der neue Zustand, der durch die erwartete Erlösung bewirkt wird, transzendiert daher alles, was vorher war, bis zu dem Punkt, an dem jede weitere Galut ausgeschlossen ist.

Wenn jeder Schabbat die künftige Ära des „Tages, der ganz und gar Schabbat ist“ bedeutet und somit ein Gefühl der Freude gebietet, wie viel mehr dann ein Schabbat innerhalb der Zeitspanne von Bejn haMezarim. Denn dieser Schabbat verleiht uns die Fähigkeit, diese traurigen Tage in Freude und Frohsinn zu verwandeln.7 Die Manifestation des zukünftigen Lichts, das alle Aspekte von Galut und Erlösung übersteigt, ist in der Lage, gerade die Zeit von Bejn haMezarim in eine Zeit des Frohsinns und der Freude zu verwandeln.

Der Schulchan Aruch (Kodex des jüdischen Rechts) regelt daher, dass man am Schabbat vor dem Fasten von Tischa beAw ein festliches Mahl einnehmen darf, wie es König Schlomo zu seiner Zeit genossen hat8 – zu einer Zeit, in der „der Mond seine Fülle erreicht hatte.“9 Dieser Schabbat macht es also möglich, dass diese Tage in Freude und Frohsinn verwandelt werden.

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Matot-Massej 5715)