I. „Mosche bestimmte drei Städte jenseits des Jordans, gegen die aufgehende Sonne hin, in die ein Mörder fliehen konnte ...“1 Dies bezieht sich auf die Zufluchtsstädte für diejenigen, die unabsichtlich getötet hatten.2

Die Straßen, die zu den Zufluchtsstädten führten, mussten direkt dahin führen, in gutem Zustand und mindestens zweiunddreißig Ellen breit sein.3 An jeder Kreuzung gab es ein Straßenschild „Zur Zufluchtsstadt“, das den Weg zu diesen Städten anzeigte.4

So wie es Zufluchtsstädte im buchstäblichen, physischen Sinne gibt, so auch im geistigen Sinne: Vom Tora-Studium heißt es: „Worte der Tora gewähren Zuflucht“5, d. h. für jemanden, der im geistigen Sinne getötet hat6 (wie im vorangegangenen Ma-amar7 erörtert). Daraus folgt, dass alle Anforderungen für die physischen Zufluchtsstädte auch für die geistigen gelten.

II. In Wirklichkeit ist es genau andersherum. Physische Entitäten sind nicht das Paradigma für geistige Entitäten. Die grundlegende Realität liegt auf der spirituellen Ebene, und die spirituelle Realität bringt analoge Entitäten auf der physischen Ebene hervor.

Schenej Luchot haBerit8 erklärt daher das Prinzip, dass „die Tora von weltlichen Dingen spricht, aber auf Himmlische Dinge anspielt“: Die Tora spricht wirklich von Himmlischen Aspekten, aber wir begreifen sie auf der Ebene der Anspielung auf weltliche Dinge.

Dieser Grundsatz gilt für alles in der Tora, also auch für das Thema der Zufluchtsstädte. Alle Einzelheiten der Zufluchtsstädte beziehen sich also auch auf die geistigen Zufluchtsstädte und wurzeln tatsächlich in diesen.

III. Wenn wir privilegiert wären, würden wir die weltliche Realität aus der wahren Perspektive ihrer Himmlischen, geistigen Quelle wahrnehmen. Wir würden dann verstehen, dass die Dinge in der geistigen Welt ein Gegenstück in der physischen Welt haben können.

Alle Aspekte dieser Welt können aus der Himmlischen Perspektive betrachtet werden, d. h., in Bezug darauf, wie sie auf der spirituellen Ebene sind, was in Analogie zu einem Verständnis führt, dass sie höchstwahrscheinlich auch auf der physischen Ebene so sind.

[Der Rebbe, mein Schwiegervater, erzählte, dass sein Vater, der Rebbe Raschab, es strikt missbilligte, wenn er zwischen dem Händewaschen für eine Mahlzeit und dem Brechen des Brotes unterbrochen wurde. Halachisch gesehen gilt nur das Sprechen oder das Verstreichenlassen einer überlangen Zeit als verbotene Unterbrechung;9 dennoch würde der Rebbe nicht einmal eine Unterbrechung seiner Gedanken zwischen dem Händewaschen und dem Brotbrechen dulden.

Um die Zeit 5654-55 (1894-95) entdeckte die medizinische Forschung eine neue Ader im Gehirn, die Gedächtnis und Konzentration fördert. Der jüngere Bruder des Rebben Raschab, R. Menachem Mendel,10 war von dieser Neuigkeit begeistert und erzählte sie, während der Rebbe sich die Hände wusch. Der Rebbe reagierte überhaupt nicht. Nach dem Essen bat er alle zu warten und ging, um ein Manuskript mit chassidischen Reden des Mittleren Rebben zu holen. Er zeigte ihnen, wie diese Ader dort in einer kurzen Passage von sechs oder sieben Zeilen beschrieben wird. Der Mittlere Rebbe stellt dort fest, dass es im Gehirn eine Ader gibt, die mit einer gasähnlichen Substanz gefüllt ist und sich hin und her bewegt, und dass dieses Hin- und Herbewegen dem Gedächtnis und der Konzentration förderlich ist. Wenn sich diese Ader in Richtung des Gehirns von Chochma und Bina11 bewegt, hilft sie dem Gedächtnis der Person, und wenn sie sich in Richtung des Gehirns von Da-at bewegt, hilft sie der Konzentration. Dies zeigt sich darin, dass ein Mensch seinen Kopf hebt, wenn er versucht, sich an etwas zu erinnern, und dass er seinen Kopf senkt, wenn er versucht, sich zu konzentrieren.

Der Rebbe Raschab wurde daraufhin gefragt: „Daraus folgt also, dass der Mittlere Rebbe ein großer Professor war!“ Doch der Rebbe antwortete: „Der Mittlere Rebbe wusste das, weil die Dinge oben so sind, im spirituellen Bereich, und deshalb muss es auch unten so sein, beim Menschen.“12 ]

Die Konzepte und Ideen in der Tora können also durchaus aus der Himmlischen Perspektive, d. h., von der spirituellen Ebene aus betrachtet werden, und daraus kann man ableiten, wie die Dinge auf der physischen Ebene sind. So heißt es im Iggeret haKodesch13 in Bezug auf die Rechtsprechung in der messianischen Ära, dass man aus der Kenntnis der geistigen Realität auch weiß, wie die Dinge auf der physischen Ebene sind.

In Wirklichkeit ist es uns jedoch nicht vergönnt, die Dinge auf diese Weise zu sehen. Daher müssen wir die Dinge umgekehrt betrachten, indem wir unten anfangen: Von der physischen Ebene aus können wir auf die geistige Ebene schließen.

IV. Auf der weltlichen Ebene halfen die Zufluchtsstädte nicht nur denjenigen, die ohne Vorsatz töteten, sondern auch denjenigen, die vorsätzlich töteten. Ein vorsätzlicher Mörder muss sich zunächst in eine Zufluchtsstadt begeben, während die Verantwortlichen den Fall vor dem Prozess prüfen.14 Sein vorübergehender Aufenthalt in einer Zufluchtsstadt schützt ihn vor den Rächern des Opfers. Ähnlich verhält es sich auf der geistigen Ebene: Die Worte der Tora nehmen auch den „vorsätzlichen Mörder“ auf und schützen ihn, d. h., denjenigen, der vorsätzlich gesündigt hat.

Und so wie die Straßen, die zu den physischen Zufluchtsstädten führten, in gutem Zustand, breit und mit Hinweisschildern versehen waren, die den Weg zu den Städten wiesen, um den Mördern den Weg zu erleichtern, so ist es auch auf der geistigen Ebene:

Der Weg zur Tora ist leicht und weit, und der Allmächtige weist uns den Weg. Der Mensch hat die Freiheit der Wahl, denn es steht geschrieben: „Siehe, Ich habe euch heute das Leben und das Gute und den Tod und das Böse vor Augen gestellt.“15 Ohne Anleitung könnte man, G-tt bewahre, den falschen Weg einschlagen und den Tod und das Böse wählen. Der Allmächtige „steht“ also gleichsam mit einem Schild da, auf dem steht: „Zuflucht! Zuflucht!“ Er mahnt, den richtigen Weg einzuschlagen, denn es steht geschrieben: „Du sollst das Leben wählen“16, was das Konzept von „Der Heilige, gesegnet sei Er, hilft ihm“ [dem Jezer haRa zu widerstehen] ist.17

Jeder Mensch hat die freie Wahl, sich für das Böse zu entscheiden, G-tt bewahre. Daher braucht jeder die Hilfe des Allmächtigen, der zu ihm sagt: „Zuflucht! Zuflucht! Nimm den Weg zum Leben und zum Guten!“ Wenn R. Jochanan ben Sakkai von sich selbst sagte: „Ich weiß nicht, welchen Weg ich nehmen werde“18, wie viel mehr gilt das für andere, vor allem für diejenigen, die in einer Zeit der vielfach verdoppelten Finsternis leben. Deshalb brauchen sie die Hilfe von oben, dass der Allmächtige ihnen sagt, wohin sie gehen sollen.

V. Diejenigen, die G-ttes Führung suchen, müssen jedoch in gleicher Weise handeln, denn „Jede Handlung des Heiligen, gesegnet sei Er, erfolgt Maß für Maß.“19

Das bedeutet, dass man zu den Kreuzungen gehen muss, an denen die Juden stehen, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollen. Man muss zu ihnen gehen und ihnen zurufen: „Zuflucht! Zuflucht! Wendet euch nach rechts, das ist die Zuflucht, die Zuflucht vor dem Bluträcher, d. h., vor dem Satan, „der auf die Erde herabsteigt, um zu verführen, und dann zum Himmel aufsteigt und anprangert.“20 Wendet euch nicht nach links, G-tt bewahre, denn das führt in den Abgrund und ins Verderben!“

Diese Aufgabe obliegt allen. Jeder muss an einer Kreuzung stehen und rufen: „Zuflucht! Zuflucht!“ – und damit den richtigen Weg weisen. Das bedeutet freilich, dass man ständig an einer Kreuzung stehen wird, an einem Ort, von dem aus ein Weg in die falsche Richtung führt. Das sollte ihn nicht beunruhigen, denn gerade dadurch wird er seine Mission erfüllen.

Der heilige R. Mordechai zitierte den Baal Schem Tow: „Eine Seele kann in diese Welt hinabsteigen und hier 70 bis 80 Jahre aus keinem anderen Grund leben, als um einem Mitjuden einen materiellen – und vor allem einen geistigen – Gefallen zu tun.“21 Es lohnt sich also, ständig an dieser Kreuzung zu stehen, um einem Mitjuden auch nur einmal den Weg zur Tora-Zuflucht zu zeigen.

Das wiederum wird bewirken, dass der Allmächtige ihm den Weg zum Leben und zum Guten zeigen wird.

VI. Wenn man wie ein Wegweiser an einer Kreuzung steht und ruft „Zuflucht! Zuflucht!“, weiß man nicht, ob die Passanten ihn hören werden. Man weiß vielleicht nicht einmal, ob ihn überhaupt jemand hört. Vielleicht bemerkt er nicht einmal, dass jemand vorbeikommt. Doch all das ist ihm egal. Er ist ein Wegweiser an der Kreuzung, der den Weg zur Zuflucht weist, d. h., eine Zuflucht vor dem Jezer haRa (der bösen Neigung im Menschen), eine Zuflucht vor dem Satan.

Er mag nichts erreicht haben, wenn er dort steht, aber indem er so seine Mission erfüllt, wird G-tt auch ihm den Weg zeigen: „Du wählst das Leben.“ In der Tat ist er nur ein Owed Elokim („einer, der G-tt dient“ – im Präsens, im aktiven Sinn) und kein Ewed Hawaja („Diener des Ewigen“ – der seinen Status bereits durch Leistung erreicht hat), denn er ist noch mitten in seiner Aufgabe.22 Er hat noch einen Jezer haRa. Seine Beschäftigung mit dieser Aufgabe hat seinen Jezer haRa nicht einmal geschwächt, der in seinem ursprünglichen, angeborenen Zustand bei ihm bleibt. Im Gegenteil, „im Laufe der Zeit wurde er stärker, weil er ihn durch Essen und Trinken stark verwöhnte ...“23 Der Jezer haRa könnte ihn also, G-tt bewahre, dazu bringen, den Tod und das Böse zu wählen. Der Allmächtige jedoch leitet ihn zum Leben und zum Guten, denn es heißt, dass der Heilige, gesegnet sei Er, „zur Rechten des Bedürftigen steht, um ihn vor denen zu retten, die seine Seele richten.“24

VII. Der Rebbe, mein Schwiegervater, erörterte einmal25 den Unterschied zwischen dem Baal Schem Tow und den Weisen seiner Zeit, die nur das Studium von Nigle (den exoterischen Lehren der Tora) betrieben. Diese Weisen blieben an ihren Orten und die Menschen kamen zu ihnen, um von ihnen zu lernen. Der Baal Schem Tow und seine Schüler warteten jedoch nicht darauf, dass die Menschen zu ihnen kamen, sondern reisten in die Städte und Siedlungen, in denen sich Juden aufhielten.

[Der Alte Rebbe und der Mittlere Rebbe bieten eine Erklärung für diesen Unterschied in der Vorgehensweise, die bereits veröffentlicht wurde.26 ]

Eine Analogie zu dieser Unterscheidung zwischen dem Baal Schem Tow und den anderen Weisen findet auf unser Konzept der Zufluchtsstädte Anwendung:

Dem Nigle-Teil der Tora zufolge gab es früher so etwas wie eine Säule oder einen Felsen, auf dem die Inschrift „Zuflucht! Zuflucht!“ stand. Diese Säule sprach zu niemandem, aber wenn jemand an ihr vorbeiging und auf die Inschrift achtete – vorausgesetzt, er konnte zumindest lesen –, dann wusste er, welchen Weg er einschlagen musste.

Ähnlich verhält es sich auf der geistigen Ebene: Jemand verlässt sein Haus und kommt an den Ort einer Kreuzung, das heißt, er trifft auf Juden, die an einer Kreuzung stehen. Wenn er nach dem Weg gefragt wird – von jemandem, der zumindest „lesen“ kann –, wird er ihm den Weg zur Zuflucht zeigen.

Die Tatsache, dass er dort steht, um den Weg zu weisen, zeigt, dass er von Mesirat Nefesch (Selbstaufopferung) durchdrungen ist. Dennoch rührt er sich nicht von seinem Platz. Er ist wie eine Säule, die leblos dasteht.

[Die Menschen würden von einer Standuhr sagen: Sie bewegt sich hin und her, in ständiger Bewegung, aber sie bewegt sich nicht von ihrem Platz ...]

Chassidut lehrt jedoch, dass es nicht erlaubt ist, leblos zu sein. Man muss ein „Gehender“ sein und beständig „weitergehen.“27 Man muss Vitalität zeigen, lebendig und warm sein, und nicht warten, bis man gefragt wird. Es muss Leben und Bewegung herrschen. Wenn man einen Juden bemerkt, wo auch immer, dem man helfen kann, was auch immer es sein mag, muss man auf ihn zulaufen und ihn zur Zuflucht führen.

Das ist die Aufgabe, die der Rebbe, mein Schwiegervater, besonders den Studenten der Jeschiwa auferlegt hat: Sie sollen mehrere Wochen lang umherreisen und ausrufen „Zuflucht! Zuflucht! Dort ist der Weg, der zum Leben und zum Guten führt!“ Sie müssen wie Wegweiser sein, die die Richtung vorgeben, lebendige Wegweiser, und nicht wie solche aus Stein, die statisch bleiben. Sie müssen lebendige Wegweiser mit Vitalität sein, die jedem den Weg zur Zuflucht zeigen.

VIII. Es gibt eine Aussage in der Gemara,28 die der Rambam als halachisches Urteil zitiert,29 dass ein Mensch sich selbst und auch die Welt als Ganzes immer als in der Balance befindlich betrachten muss. Jeder Mensch muss als in der Balance befindlich betrachtet werden, so dass seine nächste Handlung die Waage in Richtung Verdienst oder in die andere Richtung kippen wird. Darüber hinaus muss man auch die Welt als Ganzes als in der Balance befindlich betrachten. Er und alle nachfolgenden Generationen sowie alle Generationen der Vergangenheit sind genau in der Balance. Seine nächste Handlung wird daher die Waage für die ganze Welt bestimmen.

Die jungen Männer, die sich auf den Weg machen,30 um Anweisungen zu geben, die die Herzen der Juden ihrem Vater im Himmel zuwenden, sollten diesen Grundsatz bedenken, dass die ganze Welt – alle Generationen der Vergangenheit und der Zukunft – gleichermaßen im Gleichgewicht sind, und dass jede einzelne Handlung, die er an einem anderen Juden vornimmt, die Waage kippen wird. Wenn man sich dieses Prinzips bewusst ist, kann man kein lebloser und unbeweglicher Wegweiser sein, sondern ein lebendiger Wegweiser, der mit Eifer und Vitalität unterwegs ist, um einen positiven Einfluss auf einen Mitjuden auszuüben und dadurch die Waage für die ganze Welt zu kippen.

Diese „lebendigen Wegweiser“ werden überall hingehen und, wenn sie einen Juden treffen, ihm erklären, dass er sich unabhängig von seinem Zustand in der Balance befindet. Er kann Buße tun, auch wenn er viele Sünden begangen hat, und durch eine einzige Tat, in einer einzigen Stunde, ja sogar in einem einzigen Augenblick, kann er die Waage seines Zustandes zum Guten wenden.31 Andererseits muss man ihm auch erklären, dass eine einzige Tat von ihm die Waage, G-tt bewahre, auch in die andere Richtung wenden kann. Da er mit der Freiheit der Wahl ausgestattet ist, kann er, G-tt bewahre, das Böse wählen. Deshalb muss er sehr darauf achten, das zu tun, was zum Leben und zum Guten führt, und der Jeschiwa-Student wird ihm den Weg zeigen, „das Leben zu wählen.“

IX. Es gibt einige, die glauben, dass sie durch ihre Reisen nichts erreichen. In Wahrheit ist es irrelevant, ob sie Recht haben oder nicht.

In Bezug auf die Pflicht, Chamez zu entfernen, schreibt das Gesetz vor, dass man bei der Suche nach Chamez überall suchen muss.32 Selbst wenn man kein Chamez gefunden hat, ist der Segensspruch nicht vergeblich. Er hat seine Pflicht erfüllt. Er hat die Mizwa ordnungsgemäß erfüllt, auch wenn er – scheinbar – nichts erreicht hat.33

Sicherlich hat er nichts, womit er sich rühmen könnte. Er war die ganze Nacht auf, hat weder Tora gelernt noch geschlafen, hat das ganze Haus auf den Kopf gestellt und trotzdem nichts gefunden. Die ganze Anstrengung scheint also Zeitverschwendung gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz hat er die ihm obliegende Mizwa erfüllt.

Das Gleiche gilt für die geistige Suche nach Chamez. Jemand mag herumreisen und sich denken, dass er nichts erreicht: Er hat seine Zeit in unbewohnten Gebieten verbracht, irgendwo in der Mitte einer Straße, an einer Kreuzung, die die Möglichkeit bietet, nach „links“ abzubiegen, G-tt bewahre, und hat nichts erreicht. Er hat also nichts, womit er sich rühmen könnte. Dennoch hat er getan, was er tun musste, und „der Lohn einer Mizwa ist die Mizwa34, d. h. eine Verbindung und eine Verknüpfung.35

X. Mehr noch: Er könnte denken, dass er nichts erreicht hat, sich aufgezehrt hat, und nach seiner Rückkehr wird er kritisiert und von seinen Freunden ausgelacht. Aber, wie gesagt, das Wichtigste ist, etwas zu tun, und tatsächlich hat er etwas erreicht, auch wenn er es vielleicht selbst nicht weiß. Durch seine Tätigkeit hat er etwas erreicht, wie der Rebbe, mein Schwiegervater, oft im Namen seines Vaters sagte: „Es ist eine sichere Annahme, dass keine Mühe umsonst ist.“36

XI. Eine sichere Errungenschaft ist die folgende:

Wenn man in der Ausübung der Mission einer Mizwa geht oder läuft,37 werden die Steine oder die Erde, auf die man tritt, geläutert, und die Atmosphäre wird gereinigt.38

Dies wird freilich nicht mit den physischen Augen wahrgenommen und auch nicht in Berichten festgehalten, die hier auf der Erde eingereicht werden. Man will konkrete Ergebnisse der Mission, die Herzen der Juden ihrem Vater im Himmel näherzubringen. In Wahrheit wird auch dies erreicht:

Ein Jude sitzt vielleicht in seinem Haus und schaut aus dem Fenster. Wenn er einen bärtigen jungen Mann vorbeigehen sieht, wird er daran erinnert, dass sein Vater oder Großvater so aussah. Er mag sich daran erinnern, dass sein Vater oder Großvater zu ihm sagte: „Wenn du morgens aufwachst, sage Mode Ani ..., und wenn du abends schlafen gehst, sage Schma Jisrael ...“ Während er sich daran erinnert, kann er tatsächlich – gedanklich oder mündlich – die Worte von Schma Jisrael oder Mode Ani wiederholen und ist von dieser Erfahrung ergriffen.

Ebenso kann ein Jugendlicher nach Hause kommen und erzählen, wie er einem jungen Mann mit Bart begegnete, der ihm ein Exemplar von Talks and Tales39 geben wollte, sich aber weigerte, es zu nehmen. Wenn die Mutter oder der Vater dies hören, werden sie vielleicht an ihre eigenen Eltern erinnert, und, wer weiß, in einem einzigen Moment ...

XII. In der Tat sollte der junge Mann, der sich auf seine Mission begibt, beunruhigt sein, weil er keine sichtbaren Ergebnisse vorweisen kann. Wäre er verdienstvoll gewesen, hätte er etwas auf der tatsächlichen, immanenten Ebene erreicht, und nicht nur auf irgendeine transzendente Weise. Man kann jedoch nicht sagen, dass er nichts erreicht hat. Allein die Tatsache, dass ein junger, bärtiger Mann gesehen wurde, der umherreiste, um Juden für Jiddischkeit zu begeistern, hat sicherlich etwas bewirkt, wenn auch auf transzendente Weise.

XIII. Einer unserer Jeschiwa-Studenten erzählte mir, dass ein konservativer Rabbiner, der auch Lehrer oder Direktor an einer Schule ist, hier einmal ein Farbrengen besuchte. Er ist zwar kein Chassid geworden, aber es hat ihm Spaß gemacht und er hat sich für Chassidim interessiert. Um das Interesse seiner Schüler durch Geschichten zu wecken, erzählte er ihnen, dass es Juden gibt, die Chassidim genannt werden, und erzählte einige ihrer Praktiken, wie z. B., dass sie vor dem Morgengebet lernen, dann lange beten, dann mit weiteren Tora-Studien fortfahren und erst danach frühstücken ...

Die Schüler hörten aufmerksam zu und fragten, ob er von alten Zeiten oder von Menschen irgendwo in Europa spreche. Er erzählte ihnen, dass es diese Art von Menschen auch heute noch gibt, sogar in den USA. Die Kinder wollten nicht glauben, dass es heutzutage, und gerade hier in Amerika, solche Leute gibt.

Der Rabbiner suchte nun nach Möglichkeiten, die Kinder zu überzeugen. Er erinnerte sich an einen Bekannten, der selbst ein Chassid ist [derjenige, der mir die Geschichte erzählt hat], und fuhr zu ihm hin. Nachdem er ihm sein Dilemma erklärt hatte, bat er den Chassid, in seine Schule zu kommen: „Du wirst dort nichts tun müssen. Komm einfach und zeige dich!“

Der Chassid stimmte zu. Als er in die Schule kam, stellte der Rabbiner ihn der Klasse vor: „Wisst ihr noch, als ich euch von den Chassidim erzählt habe und ihr mir nicht glauben wolltet? Nun, seht, dieser junge Mann ist einer von ihnen!“

Die Kinder sahen ihn mit großen Augen an, bemerkten seinen langen Bart und andere Erkennungsmerkmale. Als er bestätigte, dass er ein Chassid ist, stellten sie ihm alle möglichen Fragen über Chassidim und ihre Praktiken. Nach der Schule gingen die Kinder ganz aufgeregt nach Hause, erzählten, was in der Schule passiert war, und begannen, ihren Eltern alle möglichen Fragen zu stellen ...

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Matot-Massej 5712)