Die folgende Sicha stammt aus den Ergänzungen von Bd. II, S. 615.

XIV. An einem Farbrengen anlässlich des 13. Tammus 5692 (1932) sprach der Rebbe, der Festredner dieses Tages,1 darüber, wie die Praktiken des Alten Rebben hier auf Erden mit denen der Himmlischen geistigen Sphären übereinstimmten. Er ahmte sie nicht bewusst nach; es kam ihm spontan in den Sinn.2

In diesem Zusammenhang erzählte der Rebbe dann die folgende Geschichte:3

Als der Alte Rebbe einen Lehrer für seinen Sohn brauchte, der später der Mittlere Rebbe wurde, rief er einen jungen Chassid zu sich und sagte zu ihm – [bekanntlich sprach der Alte Rebbe immer in einem Sprechgesang, und als der Rebbe sich an die Geschichte erinnerte, tat er es in eben diesem Sprechgesang]:

„Du hast die Mizwa, deine Familie zu erhalten und zu versorgen.4 Ich habe die Mizwa: ‚Du sollst sie deinen Kindern lehren.‘5 Lass uns einen Handel eingehen ...“

Der junge Chassid war ein kluger Mann. Er dachte sich, dass er für diese Aufgabe etwas mehr bekommen sollte als nur die Mittel, um seine Familie zu versorgen. So sagte er zu dem Alten Rebben:

„Du weißt, was du mir geben sollst, um meine Familie zu versorgen; aber wenn ich dir das ‚Du sollst … lehren‘ geben soll – dann muss ich wissen, wie ich deinen Sohn lehren soll.“

Der Alte Rebbe antwortete:

„Zuerst lehrt man ein Kind das Alef-Bet, die Buchstaben des Alphabets. Was ist ein Alef? Ein Punkt oben, ein Punkt unten und eine Linie dazwischen: ein Jud oben, ein Jud unten und eine Linie von Jirat Schamajim (Furcht vor dem Himmel) – das ist ein Alef.“

Er erklärte, dass das Jud oben sich auf die Neschama (Seele) bezieht und das Jud unten auf den Körper, und durch die Linie von Jirat Schamajim zwischen ihnen – sind die beiden verbunden und werden zu einer Einheit.

XV. Das Konzept des Alef wird in vielen Quellen von Chassidut ausführlich erklärt.6

Eine der Anspielungen dieses Buchstabens ist, dass das obere Jud den Heiligen, gesegnet sei Er, bedeutet, der jenseits aller Dimensionen und Grenzen ist. Jede Vorstellung von G-ttlichkeit, die wir haben mögen, ist nicht mehr als ein Jud, ein bloßer Punkt.

Der einzige Weg für einen Juden auf Erden, auf den das untere Jud anspielt, sich mit dem Himmlischen Jud zu verbinden, ist die Selbstverneinung, indem er „keinen Raum einnimmt“, worauf auch das untere Jud (ein bloßer Punkt) anspielt. Es wird durch die Linie erreicht, die zusammenführt, die Linie von Jirat Schamajim, die Einhaltung von Tora und Mizwot – denn diese verbinden einen Juden mit dem Heiligen, gesegnet sei Er. So heißt es, dass Israel und der Heilige, gesegnet sei Er, ganz und gar eins sind7 – durch die Tora.8

Dies ist auch das Alef von Matan Tora: Der erste Buchstabe ist ein Alef.9 Dies ist der Beginn des Lernens der Tora durch ein jüdisches Kind.

Ein Jude muss schließlich in die Welt hinausgehen, um diese Welt in eine angemessene Wohnstätte für G-tt zu verwandeln.10 Der Beginn seines Tora-Studiums ist daher das Alef.

Diese Vorgehensweise stellt nicht nur sicher, dass der Jude selbst völlig unversehrt bleibt, sondern auch, dass er die Welt in ein Gefäß für die G-ttlichkeit verwandelt.

Als die Tora gegeben wurde und mit „Anochi – Ich bin der Ewige, dein G-tt ...“11 begann, ertönte ihre Verkündigung von allen Seiten.12 Ebenso wird man, wenn das Alef die Grundlage und der Beginn des Lernens ist, mit der Kraft durchdrungen, dass das „Anochi – Ich bin der Ewige, dein G-tt“ überall zu hören sein wird, in allen Beschäftigungen der betreffenden Person.

Dies entspricht den Anweisungen des Rebben, dass alle Juden erleuchtet werden sollen, indem man „die Geschöpfe liebt und sie der Tora nahe bringt“13, also nicht durch Anpassung der Tora an die unterschiedlichen Zustände, die zu der jeweiligen Zeit in Mode sind, sondern umgekehrt: „Bring sie näher zur Tora.“14 Sogar „Geschöpfe“, d. h., Menschen, die keine eigenen Vorzüge haben [außer der Tatsache, dass sie „Geschöpfe G-ttes“ sind],15 müssen als Freunde behandelt und an die Tora herangeführt werden – an die ursprüngliche, unverfälschte Tora, ohne jegliche Kompromisse, die Tora, die mit den Lehren der Weisen und der Chassidut übereinstimmt, d. h., über die Anforderungen des Gesetzes hinausgeht.16

Wenn man diese Tora in ihrer Gesamtheit und ohne Kompromisse präsentiert, wird das „Wenn ihr Meine Vorschriften befolgt“ das „Dann werde Ich euch euren Regen geben zur rechten Zeit“17 bewirken, d. h., mit allen Segnungen und einem glücklichen Leben nicht nur in der kommenden Welt, sondern auch in dieser physischen Welt.

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am 10. Schewat 5716)