I. In dieser Sidra geht es um die reinen Tiere, die erlaubt sind („Dies ist das Vieh, das ihr essen dürft ...“1), und um die unreinen, die verboten sind. Die Tora gibt zwei Zeichen für die erlaubten Tiere: Sie käuen wieder und haben gespaltene Hufe.2

Die von der Tora angegebenen Zeichen lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Es gibt (a) „kausale Zeichen“, d. h., die Zeichen selbst verursachen die Wirkung, was in unserem Kontext bedeuten würde, dass ein Tier, das wiederkäut und gespaltene Hufe hat, als reines Tier eingestuft wird; und (b) „beschreibende Zeichen“, d. h., die Zeichen sind nicht mehr als äußere Merkmale, um zu erkennen, dass es sich um ein reines Tier handelt. Im letzteren Fall ist das Tier an sich rein, und seine Zeichen helfen uns lediglich, es als solches zu erkennen und zu identifizieren.3

Pnimijut haTora, die zentrale Lehre der Chassidut, erklärt, dass ein Maschal (Beispiel; Gleichnis) direkt mit seinem Nimschal (Vergleichsgegenstand) zusammenhängt. Das Maschal wird normalerweise von etwas thematisch ganz anderem genommen. Es ist lediglich ein Gleichnis. Dennoch ist ein Maschal der Tora mit seinem Nimschal verbunden, denn nichts ist einfach nur zufällig. Etwas kann als relevantes Maschal für ein Nimschal dienen, gerade weil das erstere sich aus dem letzteren ableitet: Wenn die Lektion des Nimschal auf eine niedrigere Anwendungsebene herabsteigt, wird sie zum thematischen Gegenstand des Maschal.4

Beide Arten von Zeichen sind also auf den thematischen Gegenstand bezogen. Selbst diejenigen, die nicht kausal sind, sondern lediglich der Identifizierung des Objekts dienen, müssen ebenfalls mit diesem verbunden sein. Mit anderen Worten, es ist kein Zufall, dass es sich um die beschreibenden Zeichen handelt: Sie sind wesentlich mit dem thematischen Gegenstand verbunden und leiten sich von ihm ab, und deshalb sind sie auf unserer Ebene zu seinen Zeichen geworden.

Daraus folgt, dass die beiden Zeichen des Wiederkäuens und der gespaltenen Hufe – unabhängig davon, ob sie als kausal oder beschreibend eingestuft werden – in einem inneren Zusammenhang mit dem Tier stehen, das wir essen dürfen.

II. Das Konzept des Essens – „Dies ist das Vieh, das ihr essen dürft“ – bedeutet, ein Tier, eine Pflanze oder ein Mineral zu verzehren. Indem man diese isst, wird die Nahrung zu einem Teil der Person. Sie wird in Blut und Fleisch des Körpers umgewandelt. Das Mineral, die Pflanze oder das Tier wird auf diese Weise von der menschlichen Ebene aufgenommen und erreicht so seinen letztendlichen Zweck.

Auch im Menschen lassen sich Aspekte finden, die mit den Aspekten von Mineralien, Pflanzen und Tieren vergleichbar sind, denn in der Gemara heißt es: „In Bezug auf drei Dinge gleichen sie Tieren.“5 Dann gibt es Aspekte, die den Menschen von Mineralien, Pflanzen und Tieren unterscheiden und ihn als menschliches Wesen kennzeichnen.6

In Bezug auf die vier Kategorien Mineralien, Pflanzen, Tiere und Menschen7 ist es der Mensch, der den letztendlichen Zweck aller repräsentiert.8 Darüber hinaus besteht die besondere vorteilhafte Eigenschaft der Mineralien, Pflanzen und Tiere nur im Hinblick auf ihre Beziehung zu der Ebene der Menschen und inwieweit sie darin aufgenommen werden. Auch beim Menschen sind es nicht die Aspekte, die mit den anderen Kategorien (Mineralien, Pflanzen und Tiere) vergleichbar sind, die seine Einzigartigkeit und seinen Vorteil zum Ausdruck bringen, sondern nur das, was ihn spezifisch als menschliches Wesen auszeichnet. Die menschlichen Aspekte, die mit den niedrigeren Kategorien vergleichbar sind, müssen mit der spezifisch menschlichen Natur übereinstimmen und in ihr aufgehen.

Die mineralischen, pflanzlichen und tierischen Dinge, die der Mensch für seine Bedürfnisse verwendet und die in seiner Lebenswirklichkeit aufgehen, müssen spezifisch in dem aufgehen, was einzigartig menschlich ist. Dies geschieht, wenn sie im Zusammenhang mit dem verwendet werden, was der besonderen Qualität und dem Zweck des Menschen dient.

III. Das wahre Wesen von Adam (dem Menschen) ist sein Potential von „Edame – ich will dem Höchsten gleichen“9, um sozusagen die metaphorische Analogie zum Himmlischen „Adam auf dem Thron“10 ins Licht zu rücken: Dieser Aspekt des Himmlischen „Adam auf dem Thron“ ist die ultimative Essenz von Adam, die wahre Tugend des menschlichen Wesens. In der Tat wird der Mensch unten als Adam bezeichnet, weil er das besondere Potential hat: „Ich will dem Adam oben gleichen.“

Der Mensch ist insofern einzigartig, als er im Himmlischen Adam aufgeht, indem er die Mission des „Himmlischen Adam“ ausführt. Likkutej Tora11 erklärt, dass man wie der „Himmlische Adam“ wird, wenn man seine Mission ausführt. Dies ist das Konzept der Durchdringung, d. h. des Aufgehens im Himmlischen Adam.

Es gibt eine schrittweise Reihenfolge für das Erreichen dieses Ziels, wobei man sich von einem anfänglich niedrigen Niveau aus immer weiter nach oben bewegt, bis man das vollständige Aufgehen im „Himmlischen Adam“ erreicht. Die anfängliche Awoda ist, wie im vorhergehenden Ma-amar12 besprochen: „Ihr sollt Acharej (nach) dem Ewigen, eurem G-tt, folgen.“13 Das Wort Acharej bezeichnet nur einen Aspekt von Achorajim, der „Rückseite“, d. h. der äußersten und niedrigsten Ebene.14 Von dort aus schreitet man voran, bis man die endgültige Ebene von „Und ihr sollt Ihm anhangen“15 erreicht: Man ist nicht länger ein separates Wesen für sich selbst und wird vollständig mit dem Punkt der Durchdringung verbunden, man wird eins.

[Dies entspricht der Ebene von Mosche, der sagte: „Ich werde Gras geben auf deinem Felde für dein Vieh ...“16 Er sprach in der ersten Person, weil er sich in einem Zustand völliger Selbstverneinung befand:17 „Was sind wir?“18 und „Die Schechina sprach durch seinen Mund.“19 Das waren dann die Worte der Schechina, die von seinen fünf Artikulationsorganen ausgingen. Dies ist die Ebene von „Ihr sollt Ihm anhangen.“]

Nicht nur die menschliche Essenz wird vom „Himmlischen Adam“ durchdrungen, sondern auch die Aspekte von Mineralien, Pflanzen und Tieren, die er benutzt.

IV. Von den Tieren heißt es: „Der Geist des Viehs steigt hinab zur Erde.“20 Wie kann man also eine Veredelung und ein Aufgehen des „Tieres“ im Menschen auf Erden und schließlich im „Himmlischen Adam“ erreichen? Dies scheint dem Wesen des Tieres, „zur Erde hinabzusteigen“, zu widersprechen. Außerdem ist es eine sehr lange Strecke auf dem Weg von „Ihr sollt dem Ewigen, eurem G-tt, nachfolgen“ zu „Ihr sollt Ihm anhangen“, und es gibt den Grundsatz, dass „alle Wege mit Gefahren behaftet sind.“21

Die Tora ermöglicht es uns, diesen langen Weg zu beschreiten, indem sie uns zwei Zeichen anbietet, die uns zeigen, ob die Awoda (der Dienst an G-tt) des Menschen richtig ist. Anhand dieser Zeichen lässt sich prüfen, ob der Umgang mit den physischen Elementen Mineralien, Pflanzen und Tieren um des Himmels willen und für den Dienst G-ttes erfolgt, was zur Folge hat, dass sie veredelt und durchdrungen werden [„das ihr essen dürft“]; oder ob sie unsachgemäß verwendet werden, nicht für den Dienst G-ttes, sondern im Zusammenhang mit der eigenen Natur und den Gewohnheiten des Menschen, was sie nicht veredelt, sondern einen gegenteiligen Effekt hat [und deshalb heißt es: „das ihr nicht essen dürft“].

V. Tora Or22 bezieht sich auf die Gemara,23 die berichtet, dass R. Chanina ben Tradjon zwei Handlungen vollzog, von denen die eine mit dem Aspekt der Güte (Chessed) und die andere mit der Strenge (Gewura) zusammenhing. R. Chanina tat beides mit der gleichen Einstellung. Das beweist, dass er nicht aufgrund seiner natürlichen Neigungen gehandelt hat, sondern im Rahmen von Awoda. Hätte er aufgrund seiner natürlichen Veranlagung gehandelt, hätte er nicht beides mit der gleichen Vitalität tun können.

So heißt es im Sifre,24 dass Liebe und Furcht zwei gegensätzliche Emotionen sind, die nicht gleichzeitig existieren können, es sei denn im Dienste G-ttes.

So sagt die Schrift über Awraham nach der letzten Prüfung der Akeda [als er aufgefordert wurde, seinen geliebten Sohn Jizchak zu opfern]: „Jetzt weiß ich, dass du G-tt fürchtest.“25 Seine früheren Prüfungen bezogen sich nur auf einen Aspekt, auf die Liebe. So konnte man nicht feststellen, ob seine Handlungen seiner Natur entsprachen, aufgrund seiner angeborenen Veranlagung,26 oder aufgrund einer besonderen Anstrengung. Die Prüfung der Akeda bezieht sich jedoch auf Gewura, das strenge Urteil. Awrahams Bereitschaft, G-ttes Willen zu gehorchen und Jizchak zu opfern, war ein Akt von Gewura. Daher konnte von ihm gesagt werden: „Jetzt weiß ich, dass du G-tt fürchtest.“27 In der Tat, „jetzt weiß ich“, dass nicht nur seine jetzige Tat, sondern auch alle früheren Prüfungen aufgrund von Awoda erfolgten.

VI. Dieses Konzept steht in Beziehung zu dem Zeichen des gespaltenen Hufes. Handlungen, die sich auf einen Aspekt beschränken, können lediglich die Auswirkungen einer natürlichen Veranlagung sein. Das Zeichen eines reinen Tieres ist jedoch ein „gespaltener Huf“: ein Teil auf der rechten Seite und der andere Teil auf der linken Seite. Es zeigt die Überwindung der natürlichen Veranlagungen und Neigungen an, um die Mission des „Himmlischen Adam“ zu erfüllen, wohin auch immer sie ihn führen mag.

Die halachische Voraussetzung für einen „gespaltenen Huf“ ist, dass er oben und unten in zwei getrennte Klauen geteilt ist. Wenn er nicht vollständig gespalten ist, handelt es sich nicht um ein reines Tier.28 In unserem Zusammenhang bedeutet dies, dass die Bemühungen in beiden Richtungen nicht oberflächlich sein dürfen [oben gespalten, aber nicht unten]. Von diesem oberflächlichen Zustand, wo es innen nicht ganz durchgespalten ist, heißt es: „Das dürft ihr nicht essen.“ Er wird nicht zur Veredelung und Durchdringung führen.

Es muss eine durchgängige Spaltung geben, eine wirkliche und innere, und nur dann „dürft ihr es essen“, nur dann kann man die Durchdringung bewirken bis zu dem Punkt „Ihr sollt Ihm anhangen.“

Aber auch dann muss man vorsichtig sein. Man hat es mit physischen Objekten zu tun, die mit dem Materialismus verbunden sind. Die bloße Tatsache, dass man einen vollständig gespaltenen Huf bemerkt, reicht nicht aus, um davon auszugehen, dass man nun gefahrlos fortfahren kann. Es ist ein zweites Zeichen erforderlich: „wiederkäuen.“ „Wiederkäuen“ bedeutet, den Gegenstand „durchzukauen“, sich selbst immer wieder zu prüfen, um zu klären und zu entscheiden, ob man sich überhaupt darauf einlassen soll, und wenn ja, wie man es tun soll.29

VII. All dies bietet uns eine Anleitung für unsere aktuelle Awoda. Die Lektion kann auf zwei Arten abgeleitet werden: „von unten nach oben“ und „von oben nach unten.“

Wenn man Fleisch essen will, muss man zuerst prüfen, ob das Tier die vorgeschriebenen Zeichen der Reinheit aufweist. Ohne diese darf man es nicht essen. Dasselbe Prinzip gilt für alle Beschäftigungen mit weltlichen Dingen: Man muss die Zeichen prüfen. Man muss sich vergewissern, dass man es nicht zur eigenen Befriedigung tut. Außerdem sollte man auch bei Vorliegen der richtigen Anzeichen keine voreiligen Schlüsse ziehen, sondern die Angelegenheit noch einmal auf ihre Richtigkeit überprüfen.

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Paraschat Re-eh 5714)