VIII. Das Prinzip, dass die Galut selbst einen größeren Aufstieg bewirkt, wird in dieser Sidra angedeutet. Denn als Josef seinen jüngeren Sohn Efraim nannte, tat er dies, weil „G-tt Hifrani (ließ mich fruchtbar sein) im Land meiner Armut“:1 Hifrani – das zusätzliche „Licht“ [Vermehrung] in Josef, geschah genau „im Land meiner Armut.“
Josefs persönliches Niveau war extrem hoch. So wird in Torat Chajim2 erklärt, dass Josef dafür bestraft wurde, dass er sich auf natürliche Kanäle3 verließ, weil er sich bereits weit über diesen Grenzen befand. Jaakow verließ sich auch auf natürliche Mittel, aber das war in seinem Fall angemessen, weil er Teil des gesetzmäßigen Entwicklungsprozesses4 war und daher die Folgen einer möglichen Sünde fürchtete.5 Josef hingegen hätte aufgrund seines Niveaus als „höchster Zaddik“6 nichts fürchten müssen und brauchte sich nicht auf natürliche Kanäle zu verlassen.
In ähnlicher Weise wird in Torat Chajim im Kommentar zu dem Vers „Und Josef erkannte seine Brüder, aber sie erkannten ihn nicht“7 erklärt, dass die Stämme (Josefs Brüder), wie die Patriarchen vor ihnen, Hirten waren, die von der Welt isoliert waren, damit weltliche Angelegenheiten sie nicht störten.
Josef hingegen war auf einer solchen Ebene, dass er als Herrscher Ägyptens in der Welt sein und mit ihr zu tun haben konnte, und zwar so sehr, dass „ohne dich niemand seine Hand oder seinen Fuß erheben soll.“8 Da ein Schriftvers nicht von seiner einfachen (wörtlichen) Bedeutung abweicht,9 bedeutet dies ganz klar, dass jeder Ägypter, der Waffen tragen wollte usw., die Erlaubnis Josefs brauchte.10 Aber selbst als Josef so tief in solche Angelegenheiten eingebunden war, blieb er mit G-tt völlig verbunden.
Trotz all seiner Größe erlangte Josef „Fruchtbarkeit“, Vermehrung, nur durch „das Land der Armut.“11
IX. Diese Erzählung von Josef bietet eine Lehre für uns alle. Der Abstieg der Seele in den Körper in dieser materiellen Welt, und besonders während der Zeit der Galut, dient nicht dazu, die Seele zu quälen, sondern damit sie eine besondere Qualität erlangt: „Der Zweck der Hischtalschelut, der fortschreitenden Abstufung der Welten ... ist eindeutig nicht um der höheren Welten willen, denn für sie ist dies ein Abstieg vom Licht Seines gesegneten Antlitzes. Der letzte Zweck ist vielmehr diese unterste Welt“12, denn in dieser Welt offenbart sich die G-ttliche Essenz.
Die Tora konnte in dieser materiellen Welt vor der Galut von Ägypten nicht empfangen werden. Das Durchschreiten des „eisernen Ofens“13 des ägyptischen Exils verlieh den Juden die Fähigkeit, die Tora zu empfangen, denn unsere Weisen erklärten,14 dass Israel die Tora empfing, weil es nach Ägypten hinabgestiegen und vom Pharao versklavt worden war.
X. Dies ist auch die Bedeutung von „Und ich lehrte Efraim laufen“:15
Von Matan Tora16 wird gesagt, dass, wenn es einen weniger als 600.000 gegeben hätte (d. h., wenn „der Eine“17 gefehlt hätte), die Tora nicht gegeben worden wäre, G-tt bewahre, nicht einmal an Mosche. Darauf spielt auch der Vers „600.000 Ragli (Fußvolk), unter denen ich (Anochi) bin“ an:18 Die Anwesenheit aller 600.000, einschließlich des „Fußvolks“ – und ganz besonders des „Fußvolks“19 – bewirkte die Übergabe der Tora, die mit Anochi beginnt; die Offenbarung des Anochi sogar an Mosche.
Efraim steht, wie erwähnt, für „G-tt ließ mich fruchtbar sein im Lande meiner Armut“; es war die Erfahrung in Ägypten, die zur höchsten Errungenschaft von Matan Tora führte. Und deshalb sagt die Schrift von Efraim: „Ich lehrte Efraim laufen“: Tirgalti (Ich lehrte laufen) ist mit Regel (Fuß) sprachlich verwandt und bezeichnet die Awoda von Kabbalat Ol, durch die man das Anochi, das ultimative „Ich“, erreicht.20
(Adaptiert aus einer Sicha gehalten an Schawuot 5713)
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