Einmal reiste ein Chassid mit einem großen Problem zum Mitteler Rebbe. Er hatte einen Gasthof gepachtet und stand kurz vor der Kündigung, weil er seine Schulden nicht zahlen konnte. Der Eigentümer, ein Graf, wollte nicht länger warten, und der Jude fürchtete, nicht nur sein Auskommen, sondern auch sein Heim zu verlieren. Der Chassid betrat das Zimmer des Rebbe und berichtete. Er bat den Rebbe, einen Brief an einen reichen Geschäftsmann zu schreiben, der Mosche hieß und ein Freund des Grafen war, also vielleicht vermitteln konnte.
Der Rebbe war einverstanden und schrieb den Brief. Der Chassid verabschiedete sich in guter Stimmung und mit dem Brief in der Hand. Er war sicher, dass seine Lage sich bald bessern würde. Doch als er den Rebbe verließ und den Brief las, erschrak er, denn der Brief war falsch adressiert – nicht an Mosche A., sondern an Mosche M., der genau so arm wie der Chassid war. „Der Rebbe hat einen Fehler gemacht“, dachte der Chassid. „Denn was soll Mosche M. mir nutzen?“ Also ging er zurück ins Haus des Rebbe und sagte zu dessen Sekretär: „Ich muss noch einmal mit dem Rebbe sprechen. Er hat mir einen Brief gegeben, aber einen Fehler gemacht. Ich möchte dass er den Fehler berichtigt.“
„Tut mir Leid“, sagte der Sekretär. „Du kannst den Rebbe nicht so bald sehen. Es gibt viele andere, die auf eine Audienz warten.“
„Du verstehst nicht“, protestierte der Chassid. „Die Sache ist äußerst wichtig und kann nicht einmal einen Tag warten. Und es kostet den Rebbe nicht viel Zeit. Er muss nur ein paar Worte ändern. Siehst du, er hat ihn an den falschen Mann geschrieben.“
Der Sohn des Rebbe hörte das Gespräch und sagte: „Ein Rebbe macht keine Fehler.“
Der Chassid sah, dass er nicht weiterkam und ging. Dabei dachte er über die Worte nach, die er soeben gehört hatte: „Ein Rebbe macht keine Fehler.“ Er nahm sie sich zu Herzen und beschloss, am nächsten Tag zu Mosche A. zu gehen und ihm den Brief des Rebbe zu geben. Als er bei der bescheidenen Hütte von Mosche A. ankam, erzählte Mosche von seinem Gespräch mit dem Rebbe und zeigte ihm den Brief. Mosche war verwirrt. „Ich würde dir gerne helfen, aber was könnte ich tun? Ich habe mit dem Grafen nichts zu schaffen.“ Doch der Chassid, der inzwischen davon überzeugt war, dass der Rebbe sich bei dem Brief etwas gedacht hatte, blieb hartnäckig. Schließlich willigte Mosche ein, obwohl er gar nicht wusste, was er tun sollte. Er würde am folgenden Tag den Grafen aufsuchen, so wie der Rebbe es offenbar wollte. Mitten in der Nacht klopfte jemand an die Tür. Mosche stand auf und fragte: „Wer ist da?“
„Bitte mach auf“, rief jemand. „Ich bin es, der Graf.“ Mosche öffnete, und zu seinem Erstaunen stand der Graf vor ihm, den er am nächsten Tag besuchen wollte. Der Mann war nass und zitterte vor Kälte.
„Bitte kommt herein“, sagte Mosche. Innerhalb einer Stunde hatte der Graf die nassen Kleider gewechselt, gegessen und getrunken und fühlte sich wieder wohl. Er berichtete, er jage gerne und sei an diesem Abend tief im Wald von einem Gewitter überrascht worden. Dieses Haus war das Erste, das er gesehen hatte, und so war er zu Mosche gekommen. Der erkannte darin eine g-ttliche Fügung, und als alle zu Bett gingen, zog er sich erwartungsvoll zurück. Am nächsten Morgen stand der Graf erfrischt auf und bereitete seine Heimreise vor. Vorher sagte er zu seinem Gastgeber: „Ich bin dir sehr dankbar und möchte dich belohnen. Was kann ich für dich tun?“
Mosche antwortete: „Herr Graf, es war mir eine Ehre, Euch zu helfen. Das genügt mir.“
Aber der Graf bestand darauf, ihn zu belohnen. Also sagte Mosche: „Ich habe einen Bruder, der eine Herberge auf Eurem Land betreibt. Wegen finanzieller Probleme in den letzten Jahren konnte er die Pacht nicht zahlen und soll seinen Gasthof verlieren. Darf ich Euch bitten, die Sache zu überdenken?“
Der Graf war sofort dazu bereit. „Mein Freund, du bist ein guter Mensch, und ich bin sicher, dein Bruder ist es auch. Ich werde nicht nur die Pacht erneuern, sondern ihm seine Schulden erlassen. Übrigens war es ein Glück, dass du heute mit mir gesprochen hast. Ich wollte den Gasthof nämlich an einen Verwandten meines guten Freundes Mosche M. verpachten!“
Später unterhielten sich die beiden Chassidim über die g-ttliche Vorsehung und die Weisheit des Mitteler Rebbe. Hätte der Rebbe den Brief an den „richtigen“ Mosche adressiert, wären die Folgen für den Chassid verheerend gewesen. Jetzt war ihnen klar, dass „ein Rebbe keinen Fehler macht“.
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