Als G-tt den Kindern Israels die Thora geben wollte, verkündeten sie allesamt: Wir wollen tun und hören!1 Diese Aussage wurde zum Symbol der hingabevollen und bedingungslosen Aufnahme der Gebote G-ttes. Zuerst erfüllt man den Willen G-ttes („wir wollen tun“) und erst dann fragt man warum („und hören“).2

Doch eigentlich ist das „und hören“ hier überflüssig. G-ttes Gebote bedingungslos aufzunehmen drückt sich bereits in „wir wollen tun“ aus. Der Jude verkündet vor G-tt: „Alles, was Du mir sagst, erfülle ich, Punkt.“ So erzählt auch die Thora davor: Und das ganze Volk antwortete einstimmig: All die Dinge, die G-tt zu uns geredet hat, werden wir tun.3 Weshalb fügt dann das Volk hinzu: Wir wollen tun und hören?!

Wozu verstehen?!

Es scheint sogar so, dass der Zusatz „und hören“ die Hingabe zu den Geboten G-ttes abschwächt. Die Kinder Israels deklarieren zwar, dass sie zuerst tun werden und danach erst verstehen wollen; aber dennoch fordern sie zu verstehen. Wahre Hingabe zu G-tt bedeutet doch, dass der Jude die Gebote nur deshalb erfüllt, weil sie G-tt befohlen hat. Er braucht keinen anderen Grund für die Erfüllung der Gebote.

G-tt gebietet uns zwar auch, die Thora zu lernen und sie zu verstehen, doch auch das tun wir, weil G-tt es so will. So wie G-tt will, dass wir Gebote mit unseren Händen erfüllen, will Er auch, dass wir ein Gebot mit unserem Verstand erfüllen, nämlich die Thora zu lernen. Auch das Thorastudium gehört also zu „wir wollen tun“ – die Gebote bedingungslos zu erfüllen.

Mit allen Kräften

Aus den jüdischen Quellen geht hervor, dass der Wille zu verstehen keineswegs die bedingungslose Hingabe zu G-tt abschwächt, sondern an sich von großer Bedeutung ist. Unsere Meister verbildlichten das, indem sie sagten, dass am Sinai die Engel jedem Juden zwei Kronen aufsetzten, nachdem er „wir wollen tun und hören“ verkündete; eine Krone für „wir wollen tun“ und eine Krone für „hören“.4

Die Hingabe zu G-tt wird sogar größer, indem man die Gebote zu verstehen versucht. Der Jude kann alle Gebote G-ttes auf sich nehmen und sie erfüllen, doch sein Inneres ist im G-ttesdienst nicht miteingebunden. Er erfüllt zwar alle Gebote, doch sein Verstand und seine Gefühle sind nicht dabei. Doch der Jude muss G-tt mit all seinen Kräften dienen, auch mit dem Verstand. Und das bedeutet wahre Hingabe zu G-tt. Solange der Verstand sich mit den Geboten nicht identifizieren kann, weil er sie nicht versteht, ist die Hingabe zu G-tt nicht vollkommen.

Verstehen als Teil des G-ttesdienstes

Deshalb bedarf der Jude sowohl das „wir wollen tun“, als auch das „und hören“. Er muss die Notwendigkeit der Thora für unser Leben, ihre Gerechtigkeit, Güte und Heiligkeit in seinem Verstand einsehen und in seinem Herzen spüren. Diese Erkenntnis und dieses Gefühl sollen sogar die tiergleiche Seele durchdringen.5 Auch sie soll verstehen, wie wertvoll die Gebote sind.

Aus diesem Grund verkündeten die Juden, nachdem sie bereits die Gebote G-ttes auf sich genommen hatten („all die Dinge, die G-tt zu uns geredet hat, werden wir tun“) abermals „Wir wollen tun“ und fügten „hören“ hinzu: Sie erreichten nun ein höheres Niveau, indem sie begriffen, dass wahre Hingabe zu G-tt nicht bedeutete die Gebote einfach nur zu erfüllen, sondern auch den Verstand mit einzubeziehen, sodass er Anteil am G-ttesdienst habe.

Und solange der Dienst zu G-tt aus wahrer Hingabe der Beweggrund ist, um die Gebote zu verstehen, steht das keineswegs im Widerspruch zu dem reinen, unberührten Glauben, den jeder Jude zu G-tt und der Thora haben muss.

(Sefer HaSichot, Jahrgang 5748, Band 2, Seite 420)