Rabbiner Schneur Zalman von Liadi (1745-1812), auch liebevoll von seinen Chassidim (Anhängern der Chassidischen Bewegung) als „Alter Rebbe“ bekannt, war der Nachfolger von Rabbiner Dovber, dem Maggid von Mezritch, im Amt des Führers der Bewegung, die der Baal Schem Tov begründet hatte. Als Wunderkind erstaunte der Alter Rebbe alle mit seinem phänomenalen Gedächtnis und tiefen Verständnis aller Aspekte des Torastudiums. Im Jahre 1764 wurde er als junger Mann einer der wichtigsten Schüler des Maggid von Mesritch und nahm dort die Lehren des Baal Schem Tov auf. Der Maggid wies ihn im Jahre 1770 an, einen jüdischen Gesetzeskodex zu verfassen, der den Gesetzestext des Rabbiners Karo beinhaltete und auch die Gründe für die Gesetze kurz darstellte. Das Werk wurde allgemein als Meisterwerk anerkannt, und die Genialität des Alter Rebbe im Bezug auf Torahgelehrsamkeit war unbestritten.
Nach dem Ableben des Maggid im Jahre 1773 wählte die große Mehrheit der russischen Chassidim den Alter Rebbe als ihren Führer. Tausende strömten herbei, um Anleitung und Segen zu erbitten. Daraufhin begann der Alter Rebbe, kurze Abhandlungen zu schreiben, die die spirituellen Fragen und Dilemmas der Juden beantworteten. Diese Abhandlungen wurden die Grundlage des Buches Tanja.
Das Buch der Tanja wird als „ Das Aufgeschriebene Gesetz“ – Tora Schebichtaw – von Chassidut angesehen. Der erste Abschnitt des Werkes, Likutei Amarim (Sprüchesammlung) beschäftigt sich mit dem Menschsein und den Schwierigkeiten, den eigenen Charakter zu verbessern, und damit den Sinn der Schöpfung zu erfüllen. Der zweite Abschnitt, Schaar HaYichud We’Haemuna (Tor der Einheit und des Glaubens), behandelt die Schöpfung ex nihilo, und der dritte Abschnitt, Igeret HaTeschuwa (Briefe über Reue) beschreibt die Dynamik der Teschuwa (Reue). Der vierte Abschnitt, Igeret HaKodesch (Heilige Briefe), ist eine Sammlung der Briefe, die der Alter Rebbe seinen Anhängern geschickt hatte. Viele von diesen Briefen baten um Almosen für die chassidische Gemeinde in Israel, die zu dieser Zeit verarmt war. Der fünfte Abschnitt, Kuntres Acharon (Schlusschrift), ist eine tiefgreifende Erklärung vieler komplizierter kabbalistischer Texte.
Der Alter Rebbe revolutionierte Chassidut, indem er einen neuen Weg einschlug, den er Chabad nannte. Chabad ist ein Initialwort für Chochma – Weisheit, Bina – Verständnis, und Daat – Wissen. Es ist ein logischer Ansatz, der mystische Konzepte intellektualisiert, indem er Parallelen und Parabeln aus der menschlichen Psyche und Erlebniswelt heranzieht. Die esoterischen Lehren des Baal Schem Tov und des Maggid wurden in feurigen Geheimnissen verbreitet, während die Tora des Alter Rebbe kühl, durchdacht und für den durchschnittlichen Verstand leicht verdaulich war.
Der Alter Rebbe betonte Awodat Hatefilla, den ‚Dienst des Gebetes’, als einen meditativen Prozess. Er ermunterte seine Anhänger, vor dem Gebet zu lernen und zu meditieren. Während die Meditationen der vorhergehenden Kabbalisten sich mit G-ttlichen Namen oder Yichudim beschäftigten, regte der Alter Rebbe Meditationen über solche Konzepte wie Sowew Kol Almin, Memale Kol Almin (Konzepte, die in Kapitel 12 "Tzimtzum" erklärt werden), Sinn der Schöpfung, Seelenabstieg unter anderem an. Dadurch vollbrachte er es, eine Bewegung zu gründen, die dem jüdischen Gesetz total verpflichtet war, die tiefgreifendsten esoterischen Konzepte verstandesmäßig begriffen hatte, G-tt mit Freude diente, und sich auf die Nächstenliebe konzentrierte.
Nach seiner berühmten Verhaftung im Sowjetgefängnis in St. Petersburg und seiner anschließenden Entlassung am 19. Kislew 1798, wurden seine Lehren gestärkt. Er war offensichtlich unter Anklage des Hochverrats gefangengenommen worden, weil er Gelder nach Israel zur Unterstützung der chassidischen Gemeinde geschickt hatte. Israel war damals unter türkischer Herrschaft. Die Türken waren mit Russland verfeindet, und die Gelder, die nach Israel geschickt worden waren, wurden als Unterstützung des Feindes angesehen. Der Alter Rebbe beschrieb jedoch, dass der Baal Schem Tow und der Maggid in seiner Zelle erschienen seien und ihn informiert hätten, dass seine Verhaftung tatsächlich aufgrund einer himmlischen Anklage zustande gekommen sei, die besagte, dass er zu viel von der mystischen Überlieferung der Tora offenbart habe. (Es soll hier angemerkt werden, dass sowohl der Baal Schem Tow als auch der Maggid mehrere Jahre zuvor verstorben waren). Er fragte, ob er aufhören solle, seine Lehren zu verbreiten. Sie antworteten, dass er nicht nur weiterhin seine Lehren verbreiten solle, sondern dass er dies vermehrt tun solle. (Eine detaillierte Analyse dieser Begebenheit kann man in Likutei Sichot, Kehot Publications, Band 30, Seite 170, vorfinden)
Nach seiner Entlassung fand ein Stilwandel in seiner Lehre statt. Seine Diskurse (Maamarim) wurden viel gründlicher und enthielten zusätzliche Erklärungen. Schließlich wurden die tiefgreifendsten kabbalistischen Ideen allgemein verständlich erklärt. In kabbalistischer Ausdrucksweise dargestellt war dies eine Offenbarung des unendlichen Lichts, die für den menschlichen Verstand zugeschnitten war.
Er schrieb viel, so auch seine berühmten Werke Tora Or (Licht der Tora) und Likutei Tora (Tora Anthologie). Likutei Tora besteht aus Abhandlungen, die die innere Dimension des wöchentlichen Tora-Abschnitts (Sidra) erklärt. Er gründete außerdem eine Kette von sieben Führern der Chabad-Bewegung, die alle Lehren des Alter Rebbe weiterentwickelten und erweiterten.
Sein Sohn, Rabbiner Dowber (1773-1827), arbeitete sich durch alle Abhandlungen seines Vaters und ergänzte sie mit weiteren Erläuterungen. Rabbiner Dowber siedelte außerdem nach Lubawitsch, einer kleinen Stadt in Russland, um. Der Name Lubawitsch bedeutet auf russisch: „Stadt der Liebe“. Bald wurde diese Stadt zum Synonym für die Chabad-Lehren und Nächstenliebe.
Der dritte Rebbe, Rabbiner Menachem Mendel von Lubawitsch (1789-1866), auch Tzemach Tzedek genannt, zeigte, dass die Lehren des Chassidut ganz mit den offenbarten Teilen der Tora übereinstimmen und sogar in ihnen enthalten sind.
Der vierte Rebbe, Rabbiner Schmuel von Lubawitsch (1834-1882), begann mit einem System, das Hemscheichim genannt wurde. In diesem System entwickelte er zu einem bestimmten Anlass einen Diskurs, in dem er ein bestimmtes Thema erklärte. Dann entwickelte er dieses Thema in weiteren öffentlichen Ansprachen.
Sein Sohn, Rabbiner Scholom Dowber Schneerson, der fünfte Rebbe von Chabad (1860-1920), entwickelte dieses System weiter und produzierte die anspruchsvollsten, systematischsten und tiefgreifendsten Chassidischen Traktate, welche die esoterischsten Konzepte der Kabbala erklären.
Rabbiner Yosef Yitzchak Schneerson (1880-1950), der sechste Lubawitscher Rebbe und Sohn des Rabbiners Scholom Dowber Schneerson, trat in die Fußstapfen seines Vaters und begann, Chassidut in andere Sprachen zu übersetzen. Er lebte im kommunistischen Russland, das Spiritualität stark unterdrückte. Rabbiner Yosef Yitzchak Schneerson brachte es jedoch fertig, seine Chassidim geistig zu stärken, so dass sie in der Lage waren, den großen Hindernissen im Bezug auf Toratreue und geistiges Überleben standzuhalten.
Sein Schwiegersohn, der siebte Lubawitscher Rebbe, Rabbiner Menachem Mendel Schneerson (1902-1994), nahm schließlich die Lehren aller vorhergehenden Generationen und wandte sie auf die modernen Verhältnisse an. Mehr als 200 Bände der Vorträge (Sichot) und Ausführungen (Maamorim) von Rabbiner Menachem Mendel Schneerson sind bisher veröffentlicht worden. Sie stellen Fundgruben Chassidischer und kabbalistischer, auf das moderne Leben bezogener Gedanken dar. Der Rebbe hielt Chassidische Versammlungen (Farbrengen) im Hauptquartier im Eastern Parkway 770 in Brooklyn ab. Bei diesen Versammlungen sprach er stundenlang über eine Vielzahl von Themen, die das gesamte Spektrum jüdischen Lebens, Denkens und jüdischer Philosophie umfasste. Er regte seine Anhänger an, durch Mitzwa-Kampagnen ihre Mitjuden zu erreichen. Heute sind diese Kampagnen weltbekannt. Ein Grossteil des Materials, das in diesem Buch dargestellt wird, wurde aus den weitreichenden Lehren des Rebbe ausgewählt. Vor allem ermutigte er jede/n Juden/Jüdin, sich auf das Kommen des Messias (Maschiach) vorzubereiten, in dessen Zeit wir alle tiefgreifende neue Toraweisheiten lernen werden. Chassidut ist nur ein Vorgeschmack auf diese neuen, noch ausstehenden Toralehren.
ב"ה
Chabad
Achtes Kapitel
Diese Seite in anderen Sprachen
Diskutieren Sie mit