Vor langer Zeit lebten im Lande Israel in der Stadt Sichon ein reicher Jude und seine Frau. Sie waren vollkommen glücklich und empfanden füreinander eine tiefe Liebe, wie man sie selten findet. Traurig war nur, dass sie nicht mit Kindern gesegnet waren.
Eines Tages trübte eine dunkle Wolke ihr Glück. Ihr zehnter Hochzeitstag war vorbei, und sie hatten immer noch keine Kinder. Damals war es üblich, dass kinderlose Ehepartner sich trennten und wieder heirateten – vielleicht hatten sie Glück und bekamen Kinder. Aber der Mann wollte seine Frau nicht fortschicken, obwohl er sich dazu verpflichtet fühlte. Er konnte niemals eine andere Frau lieben, einerlei, wie viele Kinder sie ihm schenken würde. Rabbi Schimon bar Jochai, einer der größten Rabbiner jener Zeit, besuchte Sichon, und das traurige Paar bat ihn um Rat. In seiner Weisheit wusste er, dass dieses Paar sich nicht trennen sollte. Aber anstatt es den beiden zu sagen, legte er ihnen einen ungewöhnlichen Plan vor. „Eure Heirat wurde mit einem wundervollen Fest gefeiert. Jetzt, wo ihr euch trennen müsst, solltet ihr noch einmal feiern, zum Dank für das Glück, das ihr so viele Jahre geteilt habt.“
Das Paar fand diesen Rat sonderbar, aber sie gingen nach Hause und bereiteten ein großes Fest vor. Sie luden ihre vielen Freunde und Bekannten ein, die sich über diese paradoxe Feier wunderten. Die Tische waren voller edler Speisen, die Gäste wurden mit dem besten Fleisch und dem kostbarsten Wein bewirtet und angenehm unterhalten. Als die Leute allmählich gingen, sagte der Mann zu seiner Frau: „Ich kenne kein Geschenk, das gut genug für dich wäre. Aber wenn du heute Nacht zu deinen Eltern gehst, dann nimm aus meinem Haus mit, was dir am kostbarsten ist.“ Da leuchteten die traurigen Augen der Frau ein wenig. Sie sagte nichts, sondern ging in die Küche, um für ihren Mann einen Abschiedstrunk vorzubereiten. Bald kehrte sie mit einem großen Silbertablett voller Wein zurück. Ihr Mann leerte den Becher und legte sich dann aufs Sofa, um sich vom anstrengenden Abend auszuruhen. Er hatte wohl zu viel getrunken; darum sank er in tiefen Schlaf, und als seine Frau sicher war, dass das starke Getränk wirkte und er nicht aufwachen würde, ließ sie ihn von ihren Dienern in das Haus ihres Vaters tragen. Am nächsten Morgen öffnete er die Augen und wusste nicht, wo er war. „Wo bin ich?“, schrie er laut.
Plötzlich trat seine lächelnde Frau ins Zimmer. „Du hast mir erlaubt, das Kostbarste aus unserem Haus mitzunehmen. Mir liegt nichts an Gold und Schmuck – du bist mein einziger Schatz.“ Jetzt verstanden sie den weisen Rat Rabbi Schimons. Er wollte nur ihr Glück. Die Frau kehrte ins Haus ihres Mannes zurück, und sie lebten glücklicher zusammen als je zuvor. Bald wurde ihr Glück durch die Geburt eines Kindes gekrönt – es war der Lohn für ihre unerschütterliche Treue und Liebe.

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