Reb Meir lebte von der Hand in den Mund. Er hatte nie genug, um seine Familie zu sättigen und konnte nichts für Notzeiten beiseite legen. Jetzt hatte er eine heiratsfähige Tochter. Was sollte er tun? Wie sollte er das viele Geld für eine bescheidene Mitgift und die Hochzeit beschaffen? Daran war überhaupt nicht zu denken. Also saß seine Tochter zu Hause in Lumpen und wurde jeden Tag älter.

Aber Reb Meir hatte in zweifacher Hinsicht Glück. Er hatte einen reichen Verwandten, und Rabbi Josef Zundel von Salant war sein Rabbi.

Als der Rabbi sah, dass Reb Meir alle Bewerber um die Hand seiner Tochter abwies, ging er zu dem reichen Verwandten und schilderte ihm die Not des armen Mannes. „Du musst ihm helfen“, sagte er. „Das ist deine Pflicht als Verwandter.“

Der Reiche, der für seinen Geiz bekannt war, zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid, Rabbi, aber ich kann einem Verwandten, den ich kaum kenne, nicht so viel Geld geben. Er ist ein ganz entfernter Verwandter.“

Rabbi Zundel wechselte das Thema. „Als guter Jude betest du gewiss dreimal am Tag. Sag mir, wie beginnt das Schemone esrai?“

„Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen? Ich bin doch kein Kind. Ich weiß, wie dieses Gebet anfängt: Baruch ata ... elokei Awraham, elokei Jizchak ...“

Der Rabbi unterbrach ihn. „Sehr gut. Nun sag mir, wann lebten diese Ahnen?“

„Vor dreitausend Jahren. Warum?“

„Hör zu. Deine Vorväter lebten vor einigen tausend Jahren und dennoch nimmst du sie dreimal am Tag in dein Gebet auf. Warum? Weil du weißt, dass du dank ihrer Verdienste ebenfalls gesegnet und beschützt bist. Aber wenn ich dich bitte, einem armen Verwandten zu helfen, der seine Tochter verheiraten will, einem Mann, der hier und jetzt lebt, dann sagst du, er stehe dir zu fern!“

Der Reiche war sprachlos. Kurz danach schickte er dem Armen genug Geld, um alle Kosten zu decken.