Der Teil des Flusses, welcher als Mikwa, zum rituellen Untertauchen, genutzt wurde, befand sich an einem steilen Berg, am Stadtrand von Premischlan. Die Straße, die dorthin führte, war manchmal glatt und rutschig, so dass die Menschen einen großen Umweg um den Berg machen mussten, da der direkte Weg über den Berg zu gefährlich war. Reb Meir, der Rebbe von Premischlan, nahm immer den direkten Weg, gleich welchen Zustand die Straße aufwies, und es war nicht bekannt, dass er jemals zu Fall gekommen wäre. An einem schneereichen Tag, als die vereisten Pfade des Berges besonders gefährlich waren, ging Reb Meir wie gewöhnlich den Berg hinauf. Zwei Menschen, Söhne eines Wohlhabenden, der unter dem Einfluss der Haskala-Bewegung zu Reichtum gekommen war, befanden sich in dem Gebiet. Diese zwei jungen Männer glaubten nicht an übernatürliche Leistungen, und als sie sahen, dass Reb Meir mit sicheren Schritten (wie gewöhnlich) den Berg bestieg, versuchten sie es ihm gleich zu tun, denn es konnte wohl keinen Zweifel geben, dass dies leicht erreicht werden konnte und nicht halb so gefährlich war, wie es allgemein erschien. Um ihre Theorie zu überprüfen, warteten sie, bis Reb Meir begonnen hatte im Fluss unterzutauchen, dann begaben sie sich auf den vereisten Weg. Nach wenigen Schritten auf dem gefährlichen Pfad rutschten sie aus und stürzten den Weg hinunter, so dass sie sich Verletzungen zuzogen, welche medizinisch behandelt werden mussten. Als einer der jungen Männer seine Verletzungen auskuriert hatte, brachte er seine ganze Courage auf und fragte den Zaddik: „Warum konnte niemand die rutschige Straße begehen, während der Rebbe sie mit sicheren Schritten beschritt, ohne zu Fall zu kommen?“

Reb Meir entgegnete: “Wenn ein Mensch mit dem Oberen verbunden ist, fällt er nicht nach unten. Meir ist mit dem Oberen verbunden, und darum kann er auch einen rutschigen Hügel erklimmen.”1

Design

Der sechste Buchstabe des Aleph-Beis ist das Waw. Das Design des Buchstaben Waw gleicht einem Haken.2 Die Form des Waw kann ebenfalls eine Verbindung symbolisieren, welche eine höhere mit einer niederen Stufe verbindet.

Gematria

Das numerische Gegenstück zu Waw ist sechs. Sechs steht für Verbindung, durch die Engel in Jecheskels Vision verdeutlicht, die sechs Flügel ermöglichten es ihnen in die Höhe zu steigen und sich mit G’tt zu verbinden. Sechs repräsentiert ebenfalls die sechs Bücher der Mischna. Durch das Lernen von Tora verbindet man sich mit G’tt.

Sechs steht ebenfalls für Vollendung, da etwas, was von allen sechs Seiten – Norden, Süden, Osten, Westen, oben und unten – umgeben wird, vollständig ist. Ähnlich die Situation, als das jüdische Volk Ägypten verließ, da umgab es G’tt mit sechs Wolken.3 Die oben befindliche Wolke beschützte sie vor der Sonne. Die untere Wolke beschützte sie vor dem heißen Wüstensand. Die vier Wolken um sie herum – vor und hinter ihnen, zur rechten und zur linken Seite – dienten als schützendes Schild. Pfeile und andere Waffen, die gegen sie gerichtet waren, waren wirkungslos. Die Wolken hatten noch eine zusätzliche Bedeutung.4 Jede Nacht legte das jüdische Volk seine Kleider ab, bevor er schlafen ging. Am nächsten Morgen war die Kleidung gereinigt und gebügelt. Wenn es passierte, dass eine Person wuchs oder ihre Figur veränderte, so veränderte sich die Kleidung gleichermaßen. Die Juden trugen jeden Tag ihrer Reise in der Wüste die gleichen Sachen, und diese nutzten sich nicht ab.

Die Nummer sechs steht auch für die 600'000 jüdischen Männer, im Alter von 20-60, die das Land Ägypten verließen. Weiter steht sie für Tora, weil das Wort „Israel“, ein Akronym für, es gibt 600'000 Buchstaben in der Tora“ ist und wenn ein einziger Buchstabe fehlt oder beschädigt ist, G’tt bewahre, wird die ganze Tora-Rolle als nicht koscher bezeichnet – und es ist nicht möglich aus ihr weiter vorzulesen. Gleich der Situation, wenn ein Jude vom Weg abkommt, oder vermisst wird, oder beschmutzt wird, so ist das ganze jüdische Volk ebenfalls beschmutzt oder verspürt sein Fehlen. Wir bleiben unvollständig zurück.

Wir finden ein anderes Beispiel für “sechs”, als das jüdische Volk unter den Sklavendiensten, zu denen es in Ägypten verpflichtet wurde, zu leiden hatte. Dya erdachte sich Pharao sich viele Wege, wie er das jüdische Volk abhalten konnte sich zu vermehren. Doch die Juden pflanzten sich weiter fort. So spricht die Tora davon, dass die jüdischen Frauen sechs Kinder mit einem Mal zur Welt brachten.5

Die Welt wurde in sechs Tagen geschaffen – den sechs Tagen der Schöpfung. Das erste Wort in der Tora ist Bereschis („Am Anfang“), welches selbst aus sechs Buchstaben zusammengesetzt ist. Weiter sagt die Tora eindeutig: „G’tt schuf sechs Tage.“6 Es gibt ebenfalls sechs Alephs in dem Vers der Tora. Das erste Waw in der Tora befindet sich am Anfang des sechsten Wortes (v’es). So ist die Schöpfung mit der Zahl sechs verbunden.

Jeder dieser sechs Tage wurde mit einem anderen emotionalen Attribut erschaffen.7 Die Abfolge der sechs Tage findet sich in der talmudischen Betrachtung (siehe Buchstabe Aleph) wieder, dass G’tt die Welt (wie wir sie kennen) für 6'000 Jahre erschaffen hat. Wenn wir jeden Tag der Schöpfung betrachten, können wir jedes einzelne der sechs Jahrtausende und seine damit im Einklang stehende Eigenschaft erkennen.

Der erste Tag der Schöpfung war Chessed – das Attribut der Güte. Dies war der Tag an dem G’tt sagte, „Es werde Licht.“ Dieses Licht war ein unbegrenztes Licht, ein Licht, welches eine Person genutzt haben kann, um von einem Ende der Welt an ein anderes zu sehen. Möglicherweise verlangte G’tt dieses Licht zurück, als er sein Potential erkannte, welches ebenso für das Böse genutzt werden kann. Es ist gutmöglich, dass nun jemand fragt, „Wie konnte es am ersten Tag Licht geben, wenn doch die Sonne und der Mond nicht vor dem vierten Tag erschaffen wurden?“ Das Licht, welches hier bezeichnet wird, ist G’ttes Konzeption von Licht, als Quelle der ultimativen Kraft, Vision, Potential und Güte.8 Zusätzlich hatten die Menschen, im ersten Jahrtausend (sich auf den ersten Tag beziehend), sehr hohe Lebenserwartungen (z.B. lebte Adam 930 Jahre). Das Konzept von Chessed repräsentiert folglich G’ttes Güte, sowohl im Hinblick auf das unbegrenzte Licht, als auch auf das Stiften des menschlichen Lebens.

Der zweite Tag der Schöpfung war erfüllt mit Gewura. Dies war der Tag, an dem G’tt die beherrschenden Wasser in die oberen und die niederen Bereiche unterteilte. Historisch betrachtet sah das zweite Jahrtausend harte Urteile, die gegen die Bewohner der Welt verhängt wurden. Diese Zeit war mit Schwierigkeiten angefüllt, beginnend mit der Flut, welche G’tt erscheinen ließ, um die ganze Welt zu zerstören (mit Ausnahme von Noah und den Einwohnern der Arche). Diese Periode umfasst ebenfalls die verheerende Episode des Turmbaus zu Babel. Eine ganze Generation rebellierte gegen G’tt, baute einen Turm, um an G’ttes Thron heranzureichen und Ihn zu zerstören. G’tt „verwirrte ihre Sprache“,9 gab den Menschen eine Kakophonie von 70 Sprachen, um sie davon abzuhalten, sich miteinander auszutauschen. Die daraus folgende Verwirrung, bavel oder „Babel“ genannt, bedeutet verwirrt.

Der dritte Tag der Schöpfung war ein Tag von Tiferes – Schönheit und Gnade.10 An diesem Tag wurden die Blumen und die Gräser, zusammen mit allen Farben des Universums, geschaffen. Das dritte Jahrtausend sah G’ttes gnädige Hand in der Erlösung des jüdischen Volkes aus Ägypten und der Gabe der Tora. Die Tora wird Tiferes, oder Schönheit, genannt. Schönheit ist nicht einfarbig oder eintönig; sie wird durch das Mischen und die Harmonisierung verschiedener Farben und Klänge geschaffen. Folglich ist die Tora ein harmonisches Mischen positiver und negativer Gebote, und eine Synthese der spirituellen und physischen Elemente der Schöpfung. Während dieses Zeitabschnitts wurden ebenfalls die Mitzwos gegeben.

Der vierte Tag der Schöpfung war Netzach, Sieg, Ausdauer und Standfestigkeit. Dies war der Tag, an dem G’tt zwei Lichter am Himmel erschuf – die Sonne und den Mond. Es war dieses Jahrtausend, in dem zwei heilige Tempel in Jerusalem erbaut wurden. Der erste heilige Tempel war spirituell bedeutender – und folglich vergleichbar der Sonne. Der zweite Tempel, welcher mit dem Mond verglichen wird, sandte ein schwächeres Licht aus. Ferner sagt der Talmud,11 dass Netzach mit Jerusalem verbunden ist, der Stadt unserer Schicksals, unseres Glaubens und unserer endgültigen Erlösung.

Der fünfte Tag der Schöpfung war Hod. Hod bedeutet Anerkennung. Es kann ebenfalls Verwüstung bedeuten. Dies war der Tag, an dem G’tt die „See-Monster“ geschaffen hat und des ganze Meer begann von ihnen zu wimmeln. Vögel wurden ebenfalls an diesem Tag geschaffen und begannen im Himmel zu fliegen. Das fünfte Jahrtausend war eine Zeit der Massaker, Vertreibungen und unbeschreiblichen Schwierigkeiten für das jüdische Volk. Es heisst in Eicha: „Der ganze Tag war Verwüstung.“12 Wir mussten die Verwüstung des Hod ausgleichen, dies geschah mit der Tatsache, dass das jüdische Volk in dieser Ära leidenschaftlich G’tt anerkannte. Der fünfte „Tag“ war das Jahrtausend, in dem tausende Juden, die durch die Kreuzzüge starben, „Schema Israel“ herausschrieen. Das jüdische Volk, auch wenn es am Rand der Vernichtung stand, erkannte seinen G’tt an.

Der sechste Tag der Schöpfung war Jessod, welches sowohl das Errichten einer Grundlage bedeutet, als auch das Verbinden. Dies war der Tag, an dem Adam, der erste Mensch, die Grundlage der Menschheit, erschaffen wurde. G’tt stattete erst die ganze Welt aus, bevor er den Menschen in sie brachte. Davon lernen wir, dass der Mensch verpflichtet ist eine Verbindung, oder einen Bund, zwischen den materiellen und den spirituellen Wirklichkeiten zu errichten, dies geschieht, indem er die Möglichkeiten der physischen Welt in den Dienst von G’tt stellt.

Jessod steht ebenfalls für das sechste Jahrtausend. Wie in Chassidus erklärt, Adam ist der Prototyp des Moschiach, der der perfekte Mensch ist. Das Wort „Adam“ wird wie folgt geschrieben. Das Aleph (Gematria: eins) steht für den Intellekt, die erste, der zehn Eigenschaften eines Menschen. Dalet, der zweite Buchstabe von Adam, ist der erste Buchstabe von dibbur, Sprache. Mem bedeutet maaseh, Tat.13 Folglich wird Adam, oder Moschiach, perfekt in seinem Denken, seiner Sprache und seinen Taten sein. Ferner schreibt der Or HaChaim14,15 dass, im 500. Jahr des sechsten Jahrtausends (das Jahr 1740 im Gregorianischen Kalender), die ersten Funken der Erlösung zu erscheinen begannen. Der Talmud16 legte dar, dass „all die, für die Ankunft des Moschiach, festgelegten Zeiten verstrichen sind“, es liegt an uns, die guten Taten zu vermehren, um nun die Ankunft des Moschiach zu erwirken.

Bedeutung

Während das Design des Waw wie ein Haken aussieht, so entspricht dies seiner tatsächlichen Bedeutung.17 Ein Haken ist etwas, das zwei Dinge miteinander verbindet. Es bedeutet ebenfalls, das Spirituelle mit dem Physischen zu verbinden. Wie in der oben angeführten Geschichte, „Wenn ein Mensch mit dem Oberen verbunden ist, fällt er nicht nach unten.“

Wenn man nun das Waw an den Beginn eines jeden anderen Wortes setzt, so erhält man, auf einer syntaktischen Ebene, die Bedeutung „und“; zum Beispiel, v’eileh bedeutet „und diese Dinge.“ In einem Satz ist das „und“ der Haken, welcher ein Wort, oder einen Satz, mit dem nächsten verbindet. Wenn man nun das Waw mit einem Verb verbindet, so verändert das Verb seine Zeitform, entweder von der Vergangenheit in die Zukunft oder von der Zukunft in die Vergangenheit. Zum Beispiel bedeutet das hebräische Wort hoiya – “es war.” Das Wort v’hoiya bedeutet „es wird sein.“ Durch bloßes anfügen des Waw wird die Vergangenheit in die Zukunft verwandelt. Hierfür betrachten wir das Wort yehi, welches “es wird sein” bedeutet, wie in „yehi or – [Und G’tt sagte,] „Es werde Licht.“ Setzen wir nun das Waw davor – vayehi – und die Bedeutung verändert sich zu, “Es wurde Licht”, also die Vergangenheit.

Mit diesem Wissen im Hintergrund können wir eine Lehre des Rebbe gut verstehen, welche in seinem Kommentar zur Tanja dargelegt ist:18 „In der Tora gibt es 53 Abschnitte. Bis auf zehn, beginnen alle mit einem Waw. Ähnlich der Tanja19, bekannt als das geschriebene Gesetz des chassidischen Denkens, hat in ihrem ersten Teil 53 Kapitel. Alle 53, mit der Ausnahme von zehn, beginnen mit einem Waw.“

Warum beginnen zehn Kapitel in der Tora und der Tanja nicht mit dem Buchstaben Waw? Vielleicht ist das Folgende die Antwort darauf:

Die Tora wird oft mit Wasser verglichen.20 Wie das Wasser die steilen Berghänge hinab ins Tal strömt, ohne sich in seinem Wesen zu verändern, so erreicht auch die Tora den Menschen in ihrer ursprünglichen, essentiellen Form. Die Tora trat ihren Weg vom Himmel an, von G’tt stammend, und reiste dann – und reist immer noch weiter – nach unten, zu der physischen Welt.

Diese Botschaft wird durch den Buchstaben Waw überbracht, der als Haken die höhere Wirklichkeit mit der niedrigeren verbindet; dies ist die Verbindung, welche es der Tora ermöglicht zum Menschen zu gelangen. Historisch betrachtet verbindet die Tora ebenfalls die Gesetze und Bräuche der Vergangenheit mit der Gegenwart; und folglich die Gegenwart mit der Zukunft. Wie das Waw, welches die Fähigkeit besitzt ein Wort, einen Ausdruck oder eine Idee von und der Vergangenheit in die Zukunft, und umgekehrt, zu verändern, ist die Tora beides, in der Zeit und jenseits der Zeit. Ihre zeitlosen Lehren verbinden das Leben, am Beginn der Schöpfung, mit den gegenwärtigen Fragen und Problemen des modernen, alltäglichen Lebens.

Jemand könnte sagen, dass die zehn Abschnitte der Tora und die zehn Kapitel der Tanja, die nicht mit einem Waw beginnen, Aufmerksamkeit auf die ‚zehn Gebote’ und die ‚zehn Aussprüche’ lenken, mit denen G’tt die Welt erschaffen hatte.21

Wie der Sohar22 erklärt: „Wenn ein Jude den zehn Geboten der Tora folgt, wird die Welt, die mit den zehn Aussprüchen erschaffen wurde, weiterhin existieren. Wenn er dies nicht tut, G’tt bewahre, wird die Welt zu ihrem ursprünglichen Chaos zurückkehren.“

So lehrt uns das Waw die monumentale Wirkung, die wir auf die Welt haben, indem wir mit dem Oberen verbunden sind und die [von dort ausgehende] Tora in unseren Gedanken, unserer Sprache und unseren Taten in die Welt bringen.