Einmal kam ein Chassid zu Rabbi Dow Ber, dem Maggid von Meseritsch und sagte: „Rebbe, wenn der Allm-chtige uns etwas befiehlt oder verbietet, verstehe ich es, einerlei, wie schwierig es sein mag und wie sehr mein Herz sich nach dem Verbotenen sehnt. Ich kann tun, was G-tt verlangt, oder auf etwas verzichten, was seinem Willen widerspricht. Schließlich hat der Mensch einen freien Willen und kann daher eine Entscheidung treffen und unter allen Umständen dabei bleiben. Ich kann sogar entscheiden, welche Worte meinen Mund verlassen und welche nicht, obwohl das etwas schwieriger ist. Unklar sind mir jedoch jene Gebote, bei denen es um Herzensangelegenheiten geht, etwa wenn die Tora uns schon einen falschen Gedanken verbietet. Was soll ich tun, wenn mir solche Gedanken in den Sinn kommen? Kann ich wirklich meine Gedanken steuern?“
Statt die Frage zu beantworten, schickte Rabbi Dow Ber den Chassid nach Schitomir. „Besuche meinen Schüler Rabbi Zew“, sagte er. „Nur er kann dir deine Frage beantworten.“
Mitten im Winter reiste der Chassid durch verschneite Wälder in Weißrussland. Es war längst Mitternacht vorbei, als der müde Wanderer an Rabbi Zews Tür stand. Zu seiner freudigen Überraschung war das Fenster des Studierzimmers hell. Es war das einzige beleuchtete Fenster im Dorf. Durch einen Schlitz im Fensterladen sah der Chassid Rabbi Zew, der sich über seine Bücher beugte.
Aber sein Klopfen blieb unbeantwortet. Er wartete eine Weile und klopfte dann lauter. Niemand hörte ihn. Allmählich begann ihm die Kälte in die Knochen zu kriechen. Die ganze Nacht klopfte der Chassid immer wieder an die eisbedeckte Tür, während der Rabbi nur wenige Schritte entfernt am Kamin las und vom Flehen des Besuchers anscheinend nichts merkte.
Nach langer Zeit erhob sich Rabbi Zew endlich, öffnete die Tür und begrüßte seinen Gast herzlich. Er bot ihm einen Platz am Feuer an, bereitete ihm ein Glas heißen Tee und fragte nach der Gesundheit des Rebbe. Dann führte er den Besucher, der vor Kälte und Verwirrung immer noch sprachlos war, ins beste Zimmer des Hauses, wo er sich ausruhen konnte.
Die Gastfreundschaft ebbte auch am nächsten Morgen und am übernächsten Tag nicht ab. Rabbi Zew war überaus gastfreundlich und kümmerte sich vorbildlich um seinen Gast. Dieser war seinerseits ein vorbildlicher Gast, rücksichtsvoll und respektvoll gegenüber dem älteren Gelehrten. Wenn er diesem die kalte Nacht vor der Haustür noch übel nahm, behielt er es für sich.
Nachdem er mehrere Tage lang die Gastfreundschaft von Rabbi Zew genossen hatte, fühlte er sich von den Reisestrapazen erholt und wagte es, seine Frage zu stellen. „Der Zweck meiner Reise“, sagte er eines Abends zu seinem Gastgeber, „war, Euch etwas zu fragen. Unser Rebbe hat mich zu Euch geschickt, weil nur Ihr meine Frage beantworten könnt.“
Dann erklärte er das Problem, das er bereits dem Maggid vorgetragen hatte. Als er fertig war, fragte ihn Reb Zew: „Sag mir, mein Freund, ist ein Mann seiner Gedanken weniger Herr als seines Hauses?
Siehst du, ich habe dir die Antwort schon in der Nacht deiner Ankunft gegeben. In meinem Haus bin ich der Herr. Wenn ich jemanden einlassen will, dann tue ich das. Und wenn ich jemanden nicht einlassen will, bleibt er draußen.“
Diskutieren Sie mit