Im Jahr 1798 wurde Rabbi Schneur Salman von Liadi ins Gefängnis gesperrt. Man warf ihm vor, seine Lehre untergrabe und gefährde die Autorität des Zaren. 52 Tage lang wurde er in der Peter-Paul-Festung zu Petersbug festgehalten.

Einer der Leute, die den Rebbe verhörten, war ein Minister, der viel über die Bibel und das Judentum wusste. Einmal fragte er den Rebbe, was der Vers „G–tt rief den Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du?“ bedeute. Wusste G–tt nicht, wo Adam war?

Rabbi Schneur Salman gab ihm die traditionelle Antwort der Kommentare: Die Frage „Wo bist du?“ war nur die Eröffnung eines Gesprächs, denn G–tt wollte Adam nicht aus der Fassung bringen, indem er ihn sofort mit seiner Sünde konfrontierte.

„Ich weiß, was Raschi sagt“, erwiderte der Minister. „Ich will wissen, wie der Rebbe den Vers versteht.“

„Glaubst du, dass die Tora ewig ist?“, fragte der Rebbe. „Dass jedes ihrer Worte unter allen Umständen und zu jeder Zeit für jeden Menschen gilt?“

„Ja“, antwortete der Minister.

Rabbi Schneur Salman von Liadi freute sich sehr, das zu hören. Der Minister des Zaren hatte einen wichtigen Grundsatz bestätigt, den Kern der Lehre von Rabbi Israel Baal Schem Tow. Genau wegen dieser Lehre wollte man nun Rabbi Schneur Salman anklagen!

„Wo bist du?“, erläuterte der Rebbe, „ist G–ttes ewiger Ruf nach jedem Menschen. Wo bist du in der Welt? Was hast du erreicht? Dir ist nur eine begrenzte Zahl von Tagen, Stunden und Minuten gegeben, und in dieser Zeit musst du deine Aufgabe im Leben erfüllen. Du hast viele Jahre und Tage gelebt“ — jetzt sprach der Rebbe den Minister an —, „Wo bist du jetzt? Und was hast du erreicht?“