Schmuel war ein frommer, g-ttesfürchtiger Jude und ein bewunderter und angesehener Tora-Gelehrter.
Die Stadt, in der er lebte, gehörte einem Gutsherrn. Dieser hörte von Schmuels Weisheit und Ehrlichkeit und ernannte ihn zu seinem Verwalter.
Er vertraute seinem jüdischen Verwalter uneingeschränkt. Schmuel war der Einzige, dem er den Schlüssel zu seinem Geldschrank gab, denn er wusste, dass Schmuel nie etwas anrühren würde, was nicht ihm gehörte.
Aber ein Gehilfe Schmuels war neidisch auf seinen Vorgesetzten. Darum überlegte er, wie er ihm schaden konnte. Er hoffte, Schmuels Platz einnehmen zu können.
Einmal, als der Gutsherr von einer Reise zurückkam, lud er viele Gäste zu einer Feier ein. Vor den Gästen rühmte er die Tugenden seines Verwalters, der ebenfalls anwesend war, aber nicht am Essen teilnahm.
Dann bat der Gutsherr Schmuel, einen berühmten Diamanten, ein Erbstück von seinen Eltern, aus dem Geldschrank zu holen. Dieser Diamant galt als einer der größten auf der Welt und war von unschätzbarem Wert.
Alle Gäste warteten gespannt auf dieses seltene, kostbare Juwel.
Wenige Minuten später trat Schmuel ein. In den Händen hielt er eine mit Edelsteinen verzierte goldene Schatulle.
Die Gäste beugten sich vor, um den Diamanten besser sehen zu können. Aber der Gutsherr hatte es nicht eilig, die Schatulle zu öffnen, sondern erzählte zuerst langatmig dessen Geschichte. Dann endlich öffnete er den Behälter.
Zum Entsetzen aller Anwesenden war dieser leer! Der Gutsherr war sprachlos und den Tränen nahe.
Einige der Gäste schrieen: „Hängt den Juden auf!“
Aber der Gutsherr konnte immer noch nicht glauben, das Schmuel seinem Herrn etwas so Wertvolles stehlen würde. Doch wer sonst konnte der Dieb sein, wenn Schmuel als Einziger den Schlüssel zum Geldschrank besaß?
Also wandte sich der Gutsherr seinem jüdischen Verwalter zu und sagte: „Es ist wahr, dass du mir viele Jahre lang ehrlich und treu gedient hast. Aber es scheint, dass du der Versuchung diesmal nicht widerstehen konntest, als du den Diamanten gesehen hast. Wegen deiner guten Dienste verspreche ich dir, dich nicht zu bestrafen, wenn du ein Geständnis ablegst und mir meinen Diamanten zurückgibst.“
„Das verbiete der Himmel!“, rief Schmuel. „Niemals würde ich etwas stehlen, schon gar nicht, wenn es meinem gütigen und großzügigen Herrn gehört. Mir ist klar, dass Ihr mir unter diesen Umständen nicht glauben könnt. Aber bitte gebt mir die Gelegenheit, meine Unschuld zu beweisen.“
Dann bat er den Gutsherrn, alle Gäste im Saal warten zu lassen, denn der Dieb sei unter ihnen. Er werde nach Hause gehen und etwas holen, was den Dieb entlarven werde.
Bald kehrte er zurück – zum Erstaunen der Leute mit einem schwarzen Hahn.
„Verehrte Gäste“, sagte Schmuel. „Ich habe hier einen ganz besonderen Hahn. Er lässt sich von jedem ehrlichen Menschen streicheln; aber wenn ein Dieb das wagte, würde der Hahn mit den Flügeln flattern und krähen. Und weil der wahre Dieb hier unter uns ist, werde ich alle bitten, einzeln nach vorne zu kommen und den Hahn mit der rechten Hand zu streicheln. Wenn der Hahn kräht, wissen wir, wer der Dieb ist.“
Atemlos und eifrig nahmen die Gäste an der seltsamen Prozedur teil. Doch als der letzte Gast den Hahn gestreichelt hatte und das Tier stumm geblieben war, begannen die Gäste zu rufen:
„Wie kann dieser Jude es wagen, uns mit seiner verrückten Idee zum Narren zu halten!“
Ruhig erwiderte Schmuel: „Geduld, liebe Gäste. Bitte, regen Sie sich nicht auf. Ich bin noch nicht fertig. Wir werden bald erfahren, wer der Dieb ist.“
Dann bat er die Gäste, die rechte Hand zu heben. Sie taten es – und alle außer Einem hatten eine schwarze Hand! Die weiße Hand gehörte Schmuels Helfer.
„Das ist der Dieb!“, rief Schmuel. „Der Hahn ist ein Hahn wie jeder andere. Ich habe ihn nur mit Ruß bestrichen. Ich wusste, dass der Dieb sich nicht trauen würde, den Hahn zu streicheln – er würde es nur vortäuschen. Wie Sie sehen, sind die Hände der Unschuldigen schwarz, während die Hand des Diebes weiß ist, obwohl er in Wahrheit der Schmutzigste im Saal ist.“
„Bravo!“, riefen die Gäste und ergriffen den Dieb. Diesem blieb nichts anderes übrig als zu gestehen, dass es ihm gelungen war, den Schlüssel zum Geldschrank nachzumachen, und dass er sicher gewesen sei, man werde Schmuel der Tat beschuldigen. Der Dieb bekam seine gerechte Strafe, und Schmuel erhielt seine wichtige Stellung zurück.
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