Frage?

Ich bin etwas verwirrt. Ich habe viele jüdische Freunde, doch ihnen ist das Judentum oft gleichgültig und manchmal hegen sie sogar regelrecht feindselige Gefühle gegen ihre eigene Tradition. Ich selbst bin nicht jüdisch, doch ich habe viel über das Judentum gelernt und liebe es. Deshalb möchte ich gern zum Judentum übertreten.

Meine Verwirrung begann bei einem Rabbiner-Gespräch über meinen geplanten Übertritt: Der Rabbiner riet mir im Hinblick auf die Ernsthaftigkeit dieser Angelegenheit vom Übertritt ab. Ich könne ein erfülltes Leben führen, ohne jüdisch zu werden! Auch als ich ihm von meiner Begeisterung für das Judentum berichtete, wurde ich weiterhin von ihm abgewiesen.

Was geht hier vor? Ich möchte gern viel über das Judentum lernen, werde aber einfach fortgestoßen, während viele Juden nicht bereit sind, über ihre eigene Tradition mehr zu erfahren.

Antwort!

G-tt hat die jüdische Seele so erschaffen, dass für sie das Judentum nicht nur eine Wohltat, sondern ein lebensnotwendiger Bestandteil ihres Daseins ist. Leider sind sich nicht alle Menschen dessen bewusst, was in ihrer Seele vorgeht. So kann es vorkommen, dass selbst ein Jude, der noch nie etwas für sein Judentum getan hat, gar nicht fühlt, was ihm fehlt. Die Seele blüht auf, wenn sie z.B. Gebete auf hebräisch sagt, den Schabbat-Tisch erlebt, eine Mesusa am Türpfosten befestigt. Diese Taten genießt die jüdische Seele. Ein Jude hat eine angeborene Neigung zum Judentum, - nur ist sie manchmal sehr versteckt.

Warum haben viele Juden scheinbar keinerlei Interesse am Judentum? Weil in der Schöpfung alles seine Gegenseite hat: Die zutiefst mit dem Judentum verbundene jüdische Seele trifft auf eine gleichstarke Gegenkraft, die diese Verbindung zu verhindern versucht. Daher klammern sich ausgerechnet Juden mit aller Kraft an irgendeine Alternative, die sie vom Judentum möglichst fernhält, sei es Materialismus, Marxismus, Buddhismus, Politik, wissenschaftliche Theorien. Diese nehmen den ganzen Menschen in Anspruch und hindern den Juden daran, sich mit seinem Judentum zu verbinden. Tatsächlich wächst der Widerstand umso mehr, je stärker die jüdische Seele ist. In seinem Unterbewusstsein weiß jeder Jude, dass der Beginn dessen, zu dem sich seine Seele noch vor seiner Geburt verpflichtet hat, er sein ganzes Leben verändern muss. Dagegen wird er sich selbstverständlich zur Wehr setzen.

Das muss so sein, sonst wäre das spirituelle Leben keine Arbeit, sondern ein ganz natürlicher Vorgang, wie z.B. das Blühen der Pflanzen, das kein Verdienst der Pflanzen ist. G-tt hat die erhabene Seele in diese fremde, materielle Welt geschickt, damit sie sich Herausforderungen stellen kann. Sich mit dem Judentum zu beschäftigen, bedeutet für den Juden einen lebenslänglichen Wettstreit gegen diese inneren Widerstände, um ihr tiefgründigeres Selbst zu finden.

Nähert sich ein Nicht-Jude dem Judentum, so liegt der Fall ganz anders: Er braucht sich nicht mit Mächten herumzuschlagen, die bei Annäherung ans Judentum in Panik geraten, sondern er ist von Anfang an offen für das, was das Judentum zu sagen hat. Er kann sich davon angesprochen fühlen oder nicht. Jedenfalls bekommt er es nicht mit jenen Widerständen zu tun, mit denen der Jude konfrontiert wird. Daher begeistern sich Nichtjuden oft sehr schnell für das Judentum, sobald sie anfangen, sich damit zu befassen. Sie haben im Gegensatz zum Juden ein offenes Herz, der auf inneren Widerstand stößt, sobald er auf etwas Jüdisches trifft.

Diese Unbefangenheit des Nichtjuden endet mit seiner plötzlichen Idee, zum Judentum übertreten zu wollen. Vielleicht fühlt er, dass das Judentum eine lang ersehnte Wärme und Tiefgründigkeit beinhaltet, dass er sich in der Synagoge besonders wohl fühlt und das Feiern jüdischer Festtage liebt. Und das brächte ihn auf den Gedanken, es sei für ihn leicht, ein Jude zu sein und das Judentum als sein spirituelles Heim zu adoptieren. Doch gibt es da einen ihm bisher entgangenen Fakt.

Solange der Nicht-Jude ein Besucher ist, erscheint ihm alles nett und einladend. Es ist kein Teil von ihm und so kann er mit objektivem Blick begutachten und genießen, ohne auf Widerstand zu stoßen. Doch mit dem Jüdisch-Werden ändert sich alles. Übertreten bedeutet nicht nur eine jüdische Seele, sondern auch die Gegenkräfte zu erhalten, die als eine große Last dem praktizierenden Juden das aktive jüdische Leben sehr erschweren. Diese Situation ist mit einem Fahrrad vergleichbar, dessen Pedalen nur im Leerlauf getreten wurden: Einerseits fällt die Tätigkeit durch den fehlenden Widerstand leicht, andererseits kommt das Fahrrad nicht vorwärts. Der Trick besteht darin, einen Gang einzuschalten, was zwar das Treten erschwert, aber das Fahrrad voranbringt. Um in dieser Welt vorwärts zukommen, braucht es Widerstand, - und das ist Teil der Herausforderung dieser Welt.

Hier liegt einer der Gründe, warum wir die zum Judentum übertreten Wollenden zurückweisen. Wir stellen ihnen Hindernisse in den Weg, damit sie sich klar werden können, was genau sie zum Konvertieren bewegt. Der Grund muss von innen kommen! Daher versuchen wir möglichst alle äußerlichen und gesellschaftlichen Gründe zu neutralisieren. Nur wer sich wirklich dazu berufen fühlt, jüdisch zu werden, wird die Kraft dazu haben, es mit dem inneren Widerstand, der sich dem Praktizieren des Judentums in den Weg stellen wird, aufzunehmen. Das jüdische Leben ist eine sehr herausfordernde Angelegenheit! Wir wollen es niemandem, der sich der Schwierigkeiten nicht bewusst ist, "antun", auf ein unproblematisches Leben zu verzichten. Das Leben des Konvertierten ist nämlich eine noch herausforderndere Angelegenheit. Vergleichen Sie sich nicht mit Ihren jüdischen Freunden, denn von Ihnen wird mehr verlangt werden: Sie hatten nämlich die Wahl, nicht überzutreten. Zwar wird der Lohn auch dementsprechend sein, doch erhalten wir ihn in dieser Welt nicht für die Mizwot, weil es hier einfach nicht genug Geld gibt. Hingegen hat in dieser Welt alles seinen Preis, - und je kostbarer eine Sache ist, umso mehr Anstrengung ist dafür erforderlich. Sie werden immer auf Hindernisse stoßen: Vor dem Übertritt mögen das hartnäckige Rabbiner sein, die Ihnen vom Übertritt abraten. Nach dem Übertritt werden das die inneren Widerstände sein, die Ihnen das Durchführen der Mizwot plötzlich wie eine schwere Last erscheinen lassen.

Die Rabbiner wollen Sie auf keinen Fall zum Übertritt anspornen, denn der Übertritt zum Judentum ist eine private Angelegenheit zwischen Ihnen und G-tt. Er schätzt Sie auch, wenn Sie nicht übertreten. G-tt hat Seinem Volk viele Einschränkungen auferlegt, wie z.B. die Schwierigkeit, koscheres Essen zu finden, keine öffentlichen Schwimmbäder und Diskotheken besuchen, nur noch den Anforderungen des jüdischen Gesetzes entsprechende Kleider tragen zu dürfen. Sind Sie dazu bereit, alle halachischen Einschränkungen zu beachten, dann sollten Sie mit dem Übertrittsprozess fortfahren. Doch wenn Sie finden, dass diese übertrieben sind, werden Sie sich vielleicht mit den sieben Noaischen Gesetzen wohler fühlen.