Zu den vielen Purims, die Juden auf der ganzen Welt feiern, gehört auch das Purim von Fossano. Diese Stadt in Norditalien liegt am Fuße der Alpen.
Im Jahr 1796 wurde Frankreich von einer Revolution erschüttert und führte Krieg gegen Italien.
Damals war Napoleon Bonaparte ein 27 Jahre alter General, der eben zum Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Italien ernannt worden war. Der französische Vormarsch stockte, und man hoffte, der junge, feurige General werde ihm neues Leben einhauchen. Das geschah in der Tat, und unter Napoleons Führung eilte die französische Armee von Sieg zu Sieg.
Kurz vor Pessach belagerten die Franzosen Fossano und beschossen die Kleinstadt fast täglich. Der Schaden war groß, und es gab viele Tote. Dennoch ergab sich die Stadt nicht, obwohl ihre Lage düster war.
Die Juden wollten ihr Fest der Befreiung mit Freude feiern. Doch selbst in normalen Zeiten war Pessach für sie mit Angst und Gefahr verbunden, denn in der Osterzeit erreichte der Hass der Christen auf ihre jüdischen Nachbarn oft einen Höhepunkt. Vor allem an Pessach hagelte es wüste Beschuldigungen gegen die Juden, und sie gipfelten meist in der grotesken Behauptung, in den Mazzot befinde sich christliches Blut. Jeder Vorwand, und sei er noch so lächerlich, genügte, um einen Mob gegen die wehrlosen Juden zu hetzen. Darum war es kein Wunder, dass die Juden in Fossano sich fürchteten. Dennoch feierten sie zwei Sederabende und die ersten Tage des Festes wie immer voller Freude. Das machte viele Stadtbewohner wütend.
War das nicht der Beweis dafür, dass die Juden sich über den Erfolg des Feindes freuten? Gerüchte behaupteten, die Juden sympathisierten mit dem Feind und gäben ihm sogar Signale.
Die Ältesten der Gemeinde spürten die Gefahr und baten die Stadtverwaltung um Schutz. Aber die war mit der Verteidigung der Stadt beschäftigt und konnte keine Soldaten zum Schutz des Gettos abstellen.
Die zweite Nacht der mittleren Tage. Der Feind begann mit seinem üblichen Bombardement, und diesmal zielte er offenbar genauer. Und zufällig fiel kaum eine Bombe ins jüdische Getto. Das Getto war eine lange, schmale Straße in der Nähe der Stadtmauer, und die Bomben schienen darüber hinwegzufliegen und auf den Rest der Stadt zu fallen. Jetzt fiel es den Scharfmachern leicht, den Mob gegen die bösen Juden aufzuhetzen. Ein Sieg über die Franzosen war unerreichbar – aber ein Sieg über die wehrlosen Juden nicht.
Mit Waffen aller Art drang das Gesindel ins jüdische Viertel ein. Es gab keinen Widerstand, denn die Juden hatten ihre Häuser verlassen und in der Synagoge Zuflucht gesucht. Dort wollten sie sich verteidigen, obwohl sie zahlenmäßig weit unterlegen waren. Da sie wussten, dass sie keine Chance hatten, konnten sie nur um ein Wunder beten, das sie vor einem Massaker bewahrte.
Der Mob bahnte sich seinen Weg durchs Getto, brach in Häuser und Geschäfte ein und plünderte sie. Aber damit waren die Häscher nicht zufrieden. Sie dürsteten nach jüdischem Blut und näherten sich der Synagoge am Ende der Straße.
Die Synagoge befand sich im zweiten Stock. Eine schmale Treppe führte in eine kleine Diele und diese in die Synagoge, wo die Mitglieder der kleinen Gemeinde zusammengekauert auf den unvermeidlichen Angriff warteten.
Der wütende Mob wälzte sich die Treppe hinauf, und einige Männer hatten schon die Diele erreicht.
Plötzlich ertönte ein lautes Krachen. Eine Bombe, von einer französischen Kanone auf gut Glück abgefeuert, durchbrach die Wand der Synagoge und landete in der Diele genau vor den Angreifern. Die zogen sich erschrocken zurück. Viele warfen ihre Beute weg und rannten in Panik um ihr Leben.
Für die Juden von Fossano war es ein Wunder, denn sie wurden genau in dem Augenblick gerettet, als ihr Schicksal besiegelt schien.
Zum Glück hatte die Bombe in der Diele wenig Schaden angerichtet. Es war, als hätte sie nur den Mob erschrecken und die Juden retten sollen. Bald darauf besetzten die Franzosen die Stadt, und die Juden waren nicht mehr in Gefahr.
Die Ältesten der Gemeinde beschlossen, dem Allm-chtigen jedes Jahr am zweiten der mittleren Tage von Pessach für die wundersame Rettung zu danken. Das klaffende Loch, das die Bombe in die Wand geschlagen hatte, wurde nicht repariert. Man machte aus ihm ein Fenster, verziert mit hebräischen Buchstaben, die es als Beweis für das Wunder rühmten.
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